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Windräder der Zukunft - Holz statt Beton, Kunststoff und Stahl?

von Peer-Axel Kroeske

28.01.2020 (archivierter Text)
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Moderne, große Windräder lassen sich auch aus Holz bauen - davon sind Studenten aus Flensburg und Kiel überzeugt. Sie haben ein Modell entwickelt, das einige Vorteile bieten soll.

Windmühlen aus Holz - da fühlt man sich an das 19. Jahrhundert erinnert, als auf den Flensburger Anhöhen mehrere Galerieholländer das Korn mahlten. Dass aber auch moderne Windkraftanlagen aus diesem natürlichen Material gebaut werden können, mag überraschen. Doch genau das war die Aufgabe von Studenten der Hochschule Flensburg und der Fachhochschule (FH) Kiel. Sie sollten eine Windenergieanlage mittlerer Größe entwerfen, die besonders leise und deren Herstellung umweltfreundlich ist. "Plötzlich mussten wir von der Theorie in die Praxis. Der Professor sagte: 'Entwerfen Sie mal'", erinnert sich Patrick Schönherr an den Moment vor vier Monaten, als es losging. Das Ergebnis liegt jetzt als Computermodell vor: die "Optimus LE", die für niedrige Emissionen (Low Emissions) steht.

Fichte von Kopf bis Fuß

Die Material-Wahl des internationalen Studententeams fiel auf Holz, beginnend beim Fundament. "Anstelle von Beton soll ein großflächiger Hohlkasten mit hölzernen Pfeilern dafür sorgen, dass der Mast nicht umkippt", erklärt der Brasilianer Rafael Netto Lopes. Professor Torsten Faber, Direktor des Wind Energy Technology Institute (WETI) in Flensburg, machte anspruchsvolle Vorgaben: "Wir haben einen Standort wie auf dem Testfeld südlich von Husum vorgegeben, mit Kleiböden. Dort ist es auch etwas sumpfig", sagte er. Das wirkte sich auf die Größe des Fundaments aus - Durchmesser: 22 Meter, Höhe: 8 Meter. Die Gefahr der schnellen Verwitterung lasse sich durch ein geschicktes Belüftungssystem in den Griff bekommen, glauben die Studenten. Trotzdem soll das Holz noch beschichtet werden.

Achteckiger Turm nach Vorbild aus Niedersachsen

Das Turm-Team, in dem Student Patrick Schönherr mitwirkt, konnte schon auf Erfahrungen aus der Praxis zurückgreifen. Seit 2012 steht nahe Hannover der 100 Meter hohe "Timbertower" der Firma TiComTec, die die Studenten fachlich unterstützte. Die Gitterkonstruktion ist außen achtkantig verschalt und hell angemalt, so dass die dortige Anlage aus der Entfernung ganz gewöhnlich aussieht. Die Nabenhöhe der studentischen Anlage beträgt nur 80 Meter - ein weiterer Punkt, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.

Leise dreht sich das Holz

Auch der Glasfaserkunststoff (GFK) der hohlen Rotorblätter lässt sich durch Holz ersetzen - in diesem Fall durch Laminat. Geräusche entstehen vor allem durch Turbulenzen an den Flügeln. Um diese zu reduzieren, verlangsamte das Team des Inders Syed Sadiq kurzerhand die Rotationsgeschwindigkeit. Dadurch sinkt zwar der Ertrag um ein paar Prozent. Im Vergleich zur Versuchsanlage in Eggebek, an der sich die Studenten orientierten, soll ihr Modell aber um sechs Dezibel leiser sein. Für die mechanischen und elektrischen Teile wird natürlich weiterhin Stahl und Kupfer benötigt. Allerdings achteten die Studenten darauf, dass sich möglichst viele Komponenten später recyceln lassen.

Holz als fast CO2-neutraler Baustoff

Nach aktuellen Studien ernten moderne Windanlagen die Energie, die für ihre Herstellung und Errichtung benötigt wird, bereits etwa im ersten halben Jahr ihres Betriebs. Holz liefert allerdings die Möglichkeit, die Umweltbilanz noch weiter zu verbessern. Zu berücksichtigen sind auch die Emissionen des Treibhausgases CO2, das bei der Produktion von Beton für das Fundament und Stahl für den Turm einer Windanlage in die Atmosphäre gelangt. Bäume nehmen dagegen beim Wachstum CO2 auf. Beim Verbrennen ausgedienter Anlagenteile entsteht dann keine zusätzliche Belastung, vorausgesetzt sie stammen aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

Betonwerk in Lägerdorf verarbeitet herkömmliche Anlagen

Wenn herkömmliche Anlagen abgebaut werden, landet der Beton meist im Straßenbau, der Stahl wird recycelt. Auf die Verbrennung von Rotorblättern hat sich das Betonwerk in Lägerdorf bei Itzehoe spezialisiert. Sie ersetzen dort Braunkohle. Allerdings entstünden dadurch auch gesundheitsschädliche Abgase, die herausgefiltert werden müssten, gibt Professor Faber zu bedenken. Bei Holz sei das nicht der Fall. Als ausgebildeter Zimmermann kann er sich ohnehin für dessen Materialeigenschaften begeistern.

Anstoß für die Industrie

Bei allem Enthusiasmus machen sich die Studenten keine Illusionen, mit den hölzernen Windanlagen die Branche zu revolutionieren. Doch einige Ideen könnten weiter verfolgt werden. So saß etwa Gunnar Lahr vom Vertrieb des Anlagenhersteller Siemens Gamesa im Publikum. "Wir entwickeln heute Anlagen - die folgen noch einer anderen Logik," gibt er zu bedenken. Investoren benötigen niedrige Kosten pro Kilowattstunde, um sich in Ausschreibungen mit ihren Plänen für Windparks durchzusetzen.

Vergleichsweise kleine Anlagen wie die "Optimus LE" seien dazu vermutlich nicht geeignet. Akzeptanz für die Windkraft scheint auf dem Weltmarkt zudem kein Thema zu sein. Den Studenten aus Indien und Pakistan war dieses Problem gänzlich neu. Der Siemens-Fachmann findet den Ansatz aber interessant, mehr Holz zu verwenden, insbesondere für die Rotorblätter.


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