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Westküstenleitung: Stromautobahn führt jetzt bis nach Niebüll

von Peer-Axel Kroeske

04.11.2022 (archivierter Text)
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Wirtschaftsminister Habeck hat den vierten Abschnitt der Westküstenleitung von Husum nach Klixbüll eröffnet - und mit den Netzbetreibern gesprochen.

Ein Mast nach dem anderen färbte sich nach dem symbolischen Knopfdruck in der Dämmerung grün und lila. Und im Veranstaltungszelt fühlte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wie auf einem Klassentreffen. Denn die Westküstenleitung war ein zentrales Thema seiner Zeit als schleswig-holsteinischer Energiewendeminister. Seit seinem Abschied aus der Landespolitik vor vier Jahren hatte er viele Akteure nur selten gesehen.

Zehn Jahre galt bisher als schnell

2013, erinnerte Habeck sich, hatte er mit den Stromnetzbetreibern über den ersten Skizzen zusammengesessen. Damals kam die Idee auf, mit einem Bürgerdialog die Planung zu beschleunigen, um langwierige Klagen zu vermeiden. "So müsste Netzausbau immer laufen", lobte dann auch der deutsche Geschäftsführer des Netzbetreiber Tennet, Tim Meyerjürgens.

Neun Jahre bis zur Fertigstellung - unter den bisherigen Bedingungen gilt das als schnell. Doch für die schnellen Ausbauziele der Energiewende ist das zu langsam, findet Meyerjürgens, Dabei geht es um Klimaschutz und das Bestreben, Deutschland und Europa unabhängiger zu machen. Der Bau der wichtigen Südlink-Leitungen nach Bayern und Baden-Württemberg zieht sich inzwischen über zwei Jahrzehnte hin.

Netzbetreiber fordern Vorrang für Leitungsbau

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist künftig in "überragendem öffentlichen Interesse". Mit dieser Bundesregelung will Habeck den Ausbau von Wind- und Solarenergie beschleunigen. Doch Matthias Boxberger von der Schleswig-Holstein Netz AG stört ein wichtiges Detail: "Alle miteinander haben vergessen, dass dazu auch Netze gehören", stellt er fest.

Die SH Netz AG betreibt die mittleren und kleineren Stromleitungen. "Unsere Kolleginnen und Kollegen schließen Tag für Tag mehr als 30 bis 40 Anlagen an die Netze an. Das führt natürlich dazu, dass der Abtransportbedarf auch in den nächsten Wochen und Monaten weiter steigen wird", prognostiziert Boxberger.

Windanlagen werden noch immer gedrosselt oder abgeschaltet

Zwei leistungsstarke Stromleitungen durchziehen Schleswig-Holstein inzwischen von Nord nach Süd: Die Mittelachse entlang der A7 und eben jetzt die Westküstenleitung, die technisch bereits seit einigen Wochen in Betrieb ist. Trotzdem werden noch immer Windanlagen schon bei einer mittleren Brise insbesondere zwischen Flensburg und Niebüll gedrosselt, weil die Netze überlastet sind, so auch am Freitag der Eröffnung. Die Netzbetreiber verweisen darauf, dass restliche Anschlussarbeiten noch zu erledigen sind. Immerhin konnten die Abregelungen in Schleswig-Holstein seit 2019 nach Angaben des Umweltministeriums auf 1,9 GWh pro Jahr mehr als halbiert werden. Im Gesamtgefüge ist das wenig: Es entspricht dem deutschen Strombedarf von nur zwei Minuten. Damit sank den Angaben zufolge auch die Entschädigungssumme für Anlagentreiber auf 238 Millionen Euro. Die Entschädigungen werden über die Netzentgelte auf die Stromkunden umgelegt und führen somit zu höheren Strompreisen.

Habeck will Gesetz nicht kurzfristig aufkrempeln

Habeck reagierte verhalten auf die Frage von NDR Schleswig-Holstein, ob die Netze künftig ebenfalls Vorrang bei den Planungen genießen sollen: "Die Netze sind logischerweise ebenfalls von übergeordnetem öffentlichen Interesse. Wenn wir Erneuerbare Energien haben, aber keine Verbindungen mit den Metropolen und abnehmenden Regionen, dann nützen die uns nur begrenzt was. Inwieweit wir jetzt an die Gesetze kurzfristig noch mal rangehen, das kann ich nicht versprechen, weil wir gerade eine große Novelle gemacht haben."

Kaum zusätzliche Masten

Die Masten auf dem neuen Teilstück entlang der B5 zwischen Husum und dem Umspannwerk Klixbüll sind nun höher geworden. Ihre Zahl habe sich aber nur um 10 erhöht, rechnete Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) vor. Denn hier verlief bereits eine schwächere Leitung. Diese wird weiterhin gebraucht und huckepack genommen: Oben und in der Mitte am Mast laufen jetzt die starken 380-Kilovolt-Kabel von Tennet, unten die 110 kV der Schleswig-Holstein Netz AG.

Anschluss nach Dänemark erst 2025

Im kommenden Jahr will Tennet den Bau der Westküstenleitung in Schleswig-Holstein mit den verbleibenden 18 Kilometern abschließen. In Dänemark verzögert sich allerdings der Weiterbau um gut ein Jahr. Einige Kommunen drängen darauf, dass Abschnitte als Erdkabel gelegt werden. Im Raum Esbjerg soll die Leitung nach den letzten Angaben des dänischen Netzbetreibers Energinet erst Anfang 2025 ankommen.

Vernetzt mit Großbritannien und der dänischen Energieinsel

Der Anschluss an den Knotenpunkt Endrup bietet dann allerdings großes Potenzial. Hier soll das geplante Seekabel Viking Link aus England angeschlossen werden, sodass Windstrom je nach Verfügbarkeit ausgetauscht werden kann und Schwankungen bei der Produktion ausgeglichen werden. Außerdem plant Dänemark im ersten Schritt bis 2032 eine große Energieinsel für die Windkraft in der Nordsee, die dann ebenfalls Strom nach Deutschland liefern könnte.


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