Flensburg: Gegenseitige Vorwürfe bei Prozessauftakt gegen Waffensammler
von Peer-Axel Kroeske
06.04.2023 (archivierter Text)
ZUM VOLLSTÄNDIGEN ARTIKEL (archive.org)
Der 66-jährige aus Nordfriesland sammelte laut Staatsanwalt mehr Waffen, als er durfte. Er selbst beklagt, seine Sammlung sei vernichtet worden.
Vor der Richterbank stehen schwere Kisten mit glänzenden Patronen. Maschinengewehre ragen über das Schöffenpult. Für die Presse haben Justizbeamte die Objekte deponiert, für die der 66-Jährige laut Anklage keine Genehmigung besaß: zwei Maschinengewehre, eines davon modifiziert, Munition und Pyrotechnik.
Unstrittig ist, dass der ehemalige Bundeswehroffizier seine Sammlung akribisch dokumentiert und zum größten Teil den Behörden gemeldet hatte - aber laut Anklage eben nicht alles. Die Staatsanwaltschaft geht unter anderem von Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz aus. Eigentlich hätte der Prozess am Amtsgericht in Husum stattfinden sollen. Weil dort aber keine entsprechenden Tresore für die Aufbewahrung der Asservate vorhanden sind, muss die Verhandlung nun im Landgericht Flensburg stattfinden.
Beschuldigter war wohl geheimdienstlich tätig
Neben dem Angeklagten haben zwei Begleiter Platz genommen. Einer von beiden hatte zuvor eine Erklärung für die Presse verteilt, in der von einer "tadellosen Personalakte" des ehemaligen Berufsoffiziers die Rede ist. Peter Frank ist ausdrücklich damit einverstanden, seinen vollen Namen zu nennen. Er sei von NATO und US-Verteidigungsministerium mehrfach überprüft worden, da er für den Schutz von Kernwaffen persönlich verantwortlich gewesen sei. Später sei er im afghanischen Kunduz im Bereich geheimdienstlicher Aufklärung tätig gewesen, heißt es in dem Schreiben.
Prozessbeginn ohne Verteidiger
Als die Richterin hinter den zur Schau gestellten Waffen Platz nimmt, herrscht sofort ein gereizter Ton im Saal. Denn statt des Angeklagten beantwortet der zweite Begleiter die Fragen. Dieser legt eine Vollmacht vor und gibt sich als "juristischer Beobachter und psychologischer Beistand" aus. Es ist der Sohn des Wahlverteidigers. Der Anwalt selbst, Werner Linn, fehlt aber. Grund sei eine medizinische Operation, die dem Gericht seit langem bekannt gewesen sei, sagt der Sohn. Ein Gerichtssprecher bestätigt später, dass das Gericht eine Verlegung des Termins abgelehnt habe.
Waffensammlung großteils im Hochofen zerstört
Die Verhandlung wird schon nach wenigen Minuten auf den 13. April vertagt. Peter Frank beantragt aber noch Akteneinsicht, die auch sofort gewährt wird. Er und seine Begleiter sagen anschließend: Es fehle ein Schriftstück, in dem die Richterin einen Anwalt ohne Expertise im Waffenrecht dazu gedrängt haben soll, die Pflichtverteidigung zu übernehmen. Doch dies ist nur eine Randnotiz. Denn der Hauptvorwurf des Angeklagten an die Behörden wiegt deutlich schwerer: Die historisch bedeutsame Sammlung mit etwa 700 Objekten sei 2017 zunächst versiegelt worden, 2021 dann komplett beschlagnahmt und in einem Hochofen in Bremen weitgehend vernichtet worden.
Verbleib von 150 beschlagnahmten Waffen laut Sammler ungeklärt
Die Waffenbehörde des Kreises Nordfriesland teilt dazu mit, dem Sammler sei der Besitz von Waffen bereits 2018 aufgrund der Verstöße verboten worden. Peter Frank habe seitdem trotz mehrfacher Aufforderung keine berechtigte Person benannt, an die die Waffen hätten abgegeben werden können. Er habe dann erfolglos versucht die Vernichtung durch ein Eilverfahren abzuwenden. Laut Frank fehlt nun aber ein Vernichtungsprotokoll. Der Verbleib von 150 weiteren, besonders wertvollen Stücken, sei nicht geklärt.
Kein Hinweis auf extremistische Tendenzen
Das Landeskriminalamt will dazu im laufenden Verfahren keine Stellung nehmen, auch die Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt. Generell gelte aber: Wer als unzuverlässig eingestuft wird, muss seine Waffen komplett abgeben. Hinweise auf eine extremistische Einstellung hat die Staatsanwaltschaft nicht. Über Verteidiger Linn ist bekannt, dass er vor mehreren Jahren als Wirtschaftsprüfer der NPD auftrat.
Waffensammler klagt auf Schadensersatz
In einem gesonderten Verfahren klagt der 66-Jährige nach eigenen Angaben auf Schadensersatz. Unabhängige Schätzungen hätten einen Wert von 1,2 Millionen Euro ergeben, sagt Peter Frank. Das Amtsgericht Husum hat für den Prozess gegen den Waffensammler zunächst drei weitere Termine bis Anfang Mai festgesetzt.