Strompreise in Schleswig-Holstein: Große Unterschiede beim Vergleich
von Peer-Axel Kroeske
22.11.2022 (archivierter Text)
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Viele Anbieter erhöhen die Tarife zum Jahreswechsel. Sie gelten trotz Strompreisbremse für den gesamten Verbrauch.
Fast alle Stromkunden bekommen in diesen Tagen Post von ihren Anbieter. Grundversorger für Strom und Gas sind verpflichtet gewesen, bis zum 20. November mitzuteilen, welche Preise sie ab Januar 2023 verlangen wollen. Die Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) sieht eine Frist von sechs Wochen vor, in der die Unternehmen die neuen Tarife im Internet veröffentlichen müssen. Zusätzlich sind die Anbieter verpflichtet, die Kunden persönlich anzuschreiben. Die Grundversorgung kann jederzeit im Jahr angepasst werden.
Viele Anbieter nehmen den Jahreswechsel aber zum Anlass, neue Preise festzusetzen. Und diese unterscheiden sich deutlich. Die Grundversorgung ist der Tarif des örtlichen Unternehmens, auf den Verbraucher grundsätzlich Anspruch haben. Er ist normalerweise etwas teurer als andere Standardtarife. Wer einen neuen Vertrag nach Umzug oder Kündigung benötigt, hat mit der Grundversorgung zuletzt aber oft etwas weniger gezahlt. Die Übersicht zeigt eine Auswahl der gerundeten Brutto-Arbeitspreise ohne Gewähr. Hinzu kommt der monatliche Grundpreis.
Preise bestehender Stromverträge werden selten veröffentlicht
Auch für viele Kunden mit bestehenden Verträgen erhöhen die Anbieter zum Jahreswechsel die Tarife. Glück hat, wer eine Preisgarantie hat, die noch etwas länger läuft. Hier gibt es keine einheitlichen Preise, auf die sich Kunden berufen könnten. Sie sind abhängig von Netzentgelten vor Ort, von der Verbrauchsmenge und der Vertragslaufzeit. Die Anbieter können sie für jeden einzelnen Kunden individuell festsetzen und halten sich mit offiziellen Angaben zurück. Bei jeder Änderung haben Verbraucher ein Sonderkündigungsrecht.
Bestehende Verträge auch im kommenden Jahr oft teurer als die Grundversorgung
Die Preisschere bei bestehenden Verträgen geht noch weiter auseinander als bei den Grundversorgern. Relativ günstig fahren ab Januar etwa Kunden von Green Planet Energy mit einem Brutto-Arbeitspreis von rund 40,9 Cent ohne langfristige Bindung. Die Stadtwerke Flensburg haben zahlreichen Kunden in Schleswig-Holstein ein Angebot mit einer Preisgarantie über ein Jahr zugeschickt. Hier kostet die Kilowattstunde bereits rund 60 Cent. Kunden bekamen nur wenige Tage Zeit, sich zu entscheiden. Die Stadtwerke Nord, ein kleines Tochterunternehmen der Stadtwerke Rendsburg, hatten ihren Kunden bereits im Sommer eine wesentlich günstigere Preisgarantie bis Ende 2023 angeboten. Je nach Netzgebiet landete man bei nur 29 bis 33 Cent, berichtet Geschäftsführer Gaude. Wer ablehnte, erhielt dann aber einen rekordverdächtigen Arbeitspreis von knapp 85 Cent.
Unterschiede bei Stromanbietern und Pokerspiel an der Strombörse
Anbieter begründen die gewaltigen Unterschiede damit, dass sie ihre Stromkontingente zu unterschiedlichen Zeitpunkten und für verschiedene Zeiträume an den Strombörsen einkaufen. Dort legten die Preise in diesem Jahr insbesondere für die kurzfristigen Bestellungen eine Achterbahnfahrt hin. Hauptgrund waren die extrem schwankenden Preise für Erdgas, mit denen sich auch die Stromerzeugung in Gaskraftwerken massiv verteuerte. Der jeweils teuerste benötigte Erzeuger setzt dabei viertelstündlich den Preis für den gesamten kurzfristigen Strommarkt.
Jede Kilowattstunde muss voll bezahlt werden - trotz Strompreisbremse
Die Ankündigung, dass der Preis für den Grundverbrauch gedeckelt wird, führt bisher oft zu einem Missverständnis. Kunden könnten fälschlicherweise den Eindruck gewinnen, dass der Preis im Vertrag kaum noch ins Gewicht falle, weil für den Großteil des Bedarfs ab Januar 2023 ein maximaler Preis von 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) gelten soll. Doch der Mechanismus wird möglicherweise ein anderer: Verbraucher bekommen einen festen Betrag gutgeschrieben, unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch. Dafür müssen sie dann alles, was sie verbrauchen, zum vollen Preis bezahlen.
Typisches Beispiel: 20 Euro Zuschuss pro Monat für die Stromrechnung
Ein kleinerer Haushalt hat bisher 250 kWh im Monat verbraucht (Berechnungsgrundlage ist der Abschlag vom September 2022):
Für 80 Prozent des Verbrauchs gilt die Strompreisbremse: also 200 kWh.
Der neue Strompreis beträgt 50 Cent/kWh: Verrechnet mit der Strompreispremse von 40 Cent bleiben 10 Cent.
Für die 200 KWh werden jeweils 10 Cent dem Verbrauchskonto beim Stromanbieter gutgeschrieben. Insgesamt also 20 Euro pro Monat.
Jede tatsächlich verbrauchte Kilowattstunde wird mit 50 Cent voll bezahlt. Bei gleichbleibendem Verbrauch sind das 125 Euro, von denen dann die 20 Euro abgezogen werden. Endbetrag also: 105 Euro.
Wer gar nichts verbraucht, bekommt allerdings keine Auszahlung der Bundeszuschüsse. Der Bund hat das Gesetz noch nicht verabschiedet, jedoch angekündigt, auch bei der Strompreisbremse den Vorschlägen der "ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme" zu folgen, in denen genau solch ein Vorgehen empfohlen wird. So zeichnet es sich auch im Referentenentwurf vom 23.November ab.
Wärmepumpen-Strom ab knapp 19 Cent - auch noch im Januar
Deutlich günstiger bleibt der so genannte Heiz- und Mobilstrom. Hierfür ist ein separater Zähler nötig. Netzbetreiber haben hierbei das Recht, den Zugang für einzelne Stunden am Tag abzuschalten, um Überlastung zu vermeiden. Dafür sind diese Tarife meist 8 bis 10 Cent günstiger. Beim Grundversorger e.on liegt der Arbeitspreis zum Beispiel in Tarp (Schleswig-Flensburg) derzeit nachts bei nur 18,7 Cent, tagsüber bei 20,2 Cent. Das Unternehmen hat auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein mitgeteilt, es werde seine Grundversorgungstarife zum Januar nicht erhöhen. Wer in Schleswig, Rendsburg oder Eckernförde wohnt, zahlt allerdings mit 48,56 Cent in der "Grundversoprgung Heizung / Thermo" des dortigen Stadtwerke-Verbunds mehr als das Doppelte.
Auch Sondertarife für das E-Auto können günstiger sein
Spezielle Tarife gibt es auch für den so genannten Mobilstrom, um damit ein E-Auto zu laden, allerdings nicht in der Grundversorgung. Einige Anbieter erlauben es sogar, einen gemeinsamen Zähler für Wärmepumpe und E-Auto zu verwenden.
Teure Ersatzversorgung
Überraschend hohe Preise werden inzwischen bei der Ersatzversorgung berechnet. So verlangen die Stadtwerke Lübeck seit November 75,58 Cent, deutlich mehr als bei der Grundversorgung. Die Ersatzversorgung tritt ein, wenn etwa der bisherige Stromanbieter insolvent ist.