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Ein Erotikversand auf dem Flensburger Campus

von Peer-Axel Kroeske

29.10.2015 (archivierter Text)
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Vibratoren, Dessous und Augenmasken: Seit einem Jahr verkaufen zwei Textilstudentinnen per Online-Versand Erotikartikel. Aus ihrem Experiment könnte bald ein Vollzeit-Job werden.

Liebeskugeln und transparente Dessous mit leuchtenden Knöpfen - das sind die beiden neu eingegangenen Bestellungen an diesem Vormittag. Jennifer Eilers klappt ihr Laptop zu und packt gleich das erste Paket, sorgsam ausstaffiert und dekoriert. Die 30-Jährige wird es persönlich zur Post bringen - direkt vom Souterrain im Flensburger Audimax aus. Denn dort, neben den großen Hörsälen, können Studenten mit unternehmerischen Ideen kostenlos zwei Räume nutzen. Und hier liegt auch die Wiege des Online-Versandhandels "Fräulein Spitz".

Erotisches für Schwangere

"Steffi und ich, wir haben uns im Textilstudiengang kennengelernt", erzählt Jennifer Eilers. Dabei ging es auch um transparente Kleidung. Damals, vor zwei Jahren, erwarteten beide gerade ein Baby - und ihnen fiel auf, dass es für Schwangere kaum erotische Dessous gibt. "Dann kommt man gar nicht drum herum, sich Erotikshops anzuschauen", sagt ihre 38 Jahre alte Mitstreiterin Stefanie Höller. "Und die, die wir gesehen haben, sprachen halt nicht so die Frauen an." Daraus entstand die erste Idee für einen Internetversand speziell für Frauen. Die Marke "Fräulein Spitz" setzt auf Sinnlichkeit, auf hochwertige Artikel. Pornografie gehört nicht zum Sortiment. Ende 2014 ging das Angebot online. Die ersten Produkte stammten vom Flensburger Erotikunternehmen Orion, das neben dem eigenen Versand auch als Großhändler operiert und die Newcomer unterstützt.

Die erste Kundin

An die erste Anruferin kann sich Jennifer Eilers noch gut erinnern: "Es war eine ältere Dame, die kannte sich in dem Segment schon aus." Wer solche Kunden fachkundig beraten will, muss sich vorher selbst gut informieren. Beide Jungunternehmerinnen hatten vorher keine große Erfahrung mit Lovetoys und Zubehör. "Aber die Kundin hat bei uns gekauft. Von daher war das, glaube ich, erfolgreich", meint Jennifer Eilers. Und inzwischen hat die Kundin schon ein zweites Mal bestellt.

Der professionell gestaltete Internetshop lässt kaum erahnen, wie klein die Firma ist. Die Anrufe an der Hotline landen meistens auf Jennifers Handy. Zwischen Hörsaal und Babywiege nimmt sie die Bestellungen auf. Im Display kann sie erkennen, ob der Anruf beruflich oder privat ist und sich dann entsprechend melden.

Der Schritt zum exklusiven Produkt

Das finanzielle Risiko für die Unternehmerinnen hielt sich bis jetzt in Grenzen. Mehrere Großhändler verlangen nur die Abnahme kleiner Mengen. Dabei wollen Jennifer Eilers und Stefanie Höller aber nicht stehen bleiben. Sie träumen von einem eigenen Sortiment - und das erfordert schon deutlich mehr Einsatz. Loslegen wollen sie mit einem selbst entworfenen Slip. Mindestens 1.000 Stück müssen sie bestellen. Für eine Produktion zu vertretbaren Kosten kommt nur das Ausland in Frage. Gespräche mit Produzenten in der Türkei laufen schon. "Da lassen wir uns jetzt ganz viele Samples schicken. Und wenn uns die gefallen, setzen wir uns in den Flieger", sagt Jennifer Eilers. Die Fabriken rund um das bekannte Touristenziel Antalya hätten einen guten Ruf. Auch Polen komme in Betracht. Außerdem gebe es schon Kontakt zu einem erfahrenen Schneider, der die Zeichnungen für die industrielle Fertigung erstellen könnte.

Investition bedeutet Risiko

Bis 1.000 exklusive Slips verkauft sind, würde es beim bisherigen Kundenkreis lange dauern. Denn momentan kommen die meisten Besteller aus dem Flensburger Umland. "Fräulein Spitz" ist vor allem durch Mundpropaganda und einige Medienberichte in der Region bekannt. Jennifer hat früher in Werbeagenturen gearbeitet und weiß deshalb: Ihr Versand braucht Werbung, um auch südlich der Elbe zu punkten.

Kino-Spot und Erotik-Blog

Ein Spot lief bereits in den Flensburger Kinos. Gedreht von zwei Studenten, die unter dem Namen "Fokusblüte" ein Unternehmen für Videoproduktion und Fotografie aufbauen, ebenfalls im Gründerzentrum auf dem Campus. Wichtig für Internetshops ist auch die Position bei Google und Co. Wer nach Dessous oder Lovetoys sucht, soll möglichst schnell auf "Fräulein Spitz" stoßen. Für den Shop selbst ist ein Blog mit erotischen Themen geplant, damit sich die Zugriffszahlen erhöhen. Jennifer kann sich vorstellen, Journalismus- und Germanistik-Studenten zu diesem Zweck bezahlte Praktika anzubieten.

Wachsen oder klein bleiben?

Aber bisher wirft "Fräulein Spitz" noch nicht mal für die Betreiberinnen Gehalt ab. Den gesamten Gewinn investieren sie gleich wieder. Jennifer lebt vom Bafög, ihre Partnerin Stefanie arbeitet als Expertin für Steuerrecht, Personal und Finanzen bei einem Unternehmen in Husum. "Ich bin da eher die Sicherheitsorientierte", sagt Stefanie. Auch sie hat zwei Kinder. Als Lager für die Erotikartikel dient ihr Privathaus in Handewitt. Ein Regal reicht dafür bisher aus.

Sollen sie so klein bleiben - oder wachsen? Diese Fragen stellen sich Jennifer und Stefanie genauso wie viele andere Existenzgründer. Der geplante Schritt nach vorn kostet voraussichtlich einen sechsstelligen Betrag. Beide hoffen nun auf ein zinsgünstiges Darlehen einer Förderbank. Dann könnte "Fräulein Spitz" für sie zur Lebensaufgabe werden.


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