Dänemark: Neues Schuljahr ohne Abstandsregeln
von Peer-Axel Kroeske
24.07.2020 (archivierter Text)
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Dänemark schloss zuerst die Grenzen, machte Schulen und öffentliche Einrichtungen dicht, öffnete die Schulen für die jüngeren Kinder aber schon einen Monat später wieder. Wie weit ist man dort jetzt? Ein Besuch in der Deutschen Schule in Pattburg, direkt an der Grenze.
An einem heißen Juni-Tag kurz vor den Sommerferien hängt zwar am Eingang zwar der Corona-Hinweis zur Hygiene, ansonsten läuft aber in allen Räumen der Unterricht. Es ist eine kleine Schule: 80 Kinder verteilen sich auf acht Klassen. Einige Türen stehen offen. Auch in den Fluren bearbeiten Schüler ihre Aufgaben. Also alles ganz normal? Nicht ganz. Im Büro von Schulleiterin Susanne Haupt stapeln sich gerade Seile - für die Verabschiedung der 7. Klassen, die an dieser Schule die größten sind. Die Seile dienen der Einhaltung der Abstandsregeln. "Wir dürfen singen, wenn wir zwei Meter Abstand halten", erklärt die Schulleiterin. An den stramm gespannten Seilen im entsprechenden Abstand sollen sich die Schüler orientieren.
Dänemark öffnete die Schulen als eines der ersten Länder
Dänemark gehörte nach Ostern zu den ersten Ländern, die die Schulen wieder öffneten. Der frühe Start verlief gut. "Ich hatte an dem Tag Geburtstag, als wir alle wieder in die Schule konnten. Das war mein größtes Geschenk, dass ich meine Freunde wiedersehen konnte", erzählt Jola aus der Vorschulklasse. Die schnelle Wiederaufnahme des Unterrichts stellte das Lehrer-Kollegium aber vor organisatorische Herausforderungen - wie wohl überall. "In der Nacht, bevor es losging, war ich nicht die einzige, die nicht geschlafen hat", sagt Schulleiterin Haupt. "Es ging wirklich holterdiepolter. Zunächst sind die Kinder bis zur 5. Klasse wieder in die Schule gekommen, Sport- und Fachunterricht fand zunächst nur draußen statt", erzählt sie und sagt lachend: "Alle sind ganz braun gebrannt, weil wir in der Zeit so viel draußen waren."
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Der Unterricht in Dänemark geht weiter, die Schüler und Schülerinnen halten jedoch Abstand im Klassenraum
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Als erstes Land Europas mit einem Lockdown, öffnete die dänische Regierung nun wieder Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen bis zur fünften Klasse. Trotz einiger Bedenken. Video (03:52 min)
Auch Lehrerin Anne Bente Bergsvik traf einige Vorbereitungen. Sie maß die Abstände aus und stellte die Tische auseinander. "Jetzt hat jeder seinen eigenen Platz", sagt sie. "Vorher haben wir immer viel Gruppenarbeit gemacht - jetzt arbeitet jeder mehr alleine. Und wenn wir einen großen Kreis mit den Kindern bilden - was bei den Kleinen üblich ist - dann machen wir das morgens in der Turnhalle."
Hygiene-Maßnahmen verhindern auch andere Infektionen
Es wurde auch akzeptiert, dass einige Eltern ihre Kinder zunächst zu Hause ließen. Erst ab der dritten Woche waren die Klassen wieder komplett. Alle sind gesund geblieben, nicht nur in Sachen Corona. "Es gab zwischendurch eine Magen-Darm-Infektion, die normalerweise so endet, dass irgendwann die Hälfte jeder Klasse fehlt", erzählt Schulleiterin Haupt. "Dieses Mal waren es aber nur zwei Kinder in der Klasse. Insgesamt haben die Hygiene-Maßnahmen dazu geführt, dass auch solche Sachen nicht so um sich gegriffen haben."
Inzwischen toben die Kinder in den Pausen auf den Ringschaukeln distanzlos herum. Einige Einschränkungen gibt es aber doch, wie Nils aus der 7. Klasse betont: "Zusammen Fußballspielen ist verboten, weil sich die Gruppen dabei zu stark vermischen. Tische werden desinfiziert und wir haben auch nur fünf Stunden - viele mit dem Klassenlehrer. Es klappt eigentlich alles ganz gut."
Keine Abstandsregeln in Schulen nach den Sommerferien
Die Abstandsregeln entfallen nach den Sommerferien, wenn es an den ersten Schulen in Dänemark am 3. August und in Pattburg eine Woche später wieder los geht mit der Schule. Lehrerin Anne Bente Bergsvik gibt sich zuversichtlich: "Wir gucken uns an, was passiert, wenn die Abstandsregel wegfällt und Hygiene bleibt. Das ist natürlich anders als das, was wir jetzt machen. Aber ich habe ein zunehmend gutes Gefühl über die Wochen gehabt, in denen wir hier waren. Es ist auch nichts passiert." Eine zweite Corona-Welle blieb trotz des schnellen Schulstarts in Dänemark aus.
Programm-Tipps
NDR Info sendet im Hörfunk am Dienstag, den 28. Juli, ab 21.35 Uhr eine Redezeit mit dem Thema "Das neue Schuljahr beginnt - wie viel Normalität lässt Corona zu?". Am Sonntag, den 2. August, läuft um 6.05 Uhr und 17.05 Uhr ein Forum am Sonntag mit dem Titel "Schule in der Corona-Zeit"
In Pattburg ist auch ein spezielles Grenzproblem gelöst. Dort werden nämlich auch einige Schüler unterrichtet, die in Deutschland wohnen. Das ist möglich, wenn ihre Eltern in Dänemark arbeiten. Bis Mitte Juni war der örtliche Grenzübergang aber gesperrt, was große Umwege bedeutete. Jetzt steht er wieder offen.