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Sylter Strandmüll für Plastik-Recycling-Projekt

von Peer-Axel Kroeske

10.04.2021 (archivierter Text)
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Zwei Unternehmer aus Franken haben eine Vision: Schiffe sollen Plastik auf den Ozeanen abgreifen, das dann in Häfen recycelt wird. Auf Sylt sammeln sie jetzt Müllproben, um diese zu untersuchen.

Wenn Peter Bales und Herbert Hornung am Sonnabend mit PkW und Anhänger vom Autozug rollen, soll es der Anfang von etwas ganz Großem sein. An drei Strandabschnitten wollen sie angespülten Plastikmüll einsammeln. Diesen lassen sie dann von Fachleuten untersuchen, um herauszufinden, ob er sich wiederverwerten lässt. "Institut für Ozean Plastik Recycling" nennt sich ihre private, gemeinnützige Gesellschaft, in die die Unternehmer aus Würzburg nach eigenen Angaben schon knapp 100.000 Euro gesteckt haben. Auf ihrer Internetseite schreiben sie, dass sie einen Lösungsansatz suchen, um den Plastikmüll aus den Meeren zu bekommen.

Spinner oder Macher?

Die Idee ist bereits klar umrissen: Schiffe sollen auf den "Plastikteppichen" der Weltmeere Plastikteile abgreifen und dann in hohem Takt zu möglichst nahe gelegenen Häfen pendeln. Dort wollen die Unternehmer "Granulatpipelines" zu Industriegebieten installieren, wo das Material dann zu Recyclingprodukten verarbeitet werden soll. Mit den Logos bekannter Unternehmen suggeriert der Internetauftritt auch, dass bereits große Unternehmen wie Thyssen-Krupp mit im Boot seien. Im Text heißt es allerdings nur, dies seien "potentielle Partner", die "in Erwägung" gezogen würden. Zudem müsse das Fraunhofer-Institut für seine Dienstleistungen bezahlt werden.

Hoffnung auf Fördergelder

Zu Kosten und Nutzen fehlen noch jegliche Angaben. Nur so viel ist klar: "Das Projekt wird vollständig durch öffentliche Fördergelder finanziert," heißt es auf der Webseite. Bisher gebe es jedoch noch keine Zusagen. Die Antragstellung bei der EU sei kompliziert, sagte Bales auf NDR-Anfrage.

GEOMAR befürchtet mehr Schaden als Nutzen

Experten halten den Ansatz für kontraproduktiv. Nationalpark-Leiter Michael Kruse gibt zu bedenken, dass nur ein Bruchteil des Mülls an der Oberfläche treibt. Mark Lenz vom Kieler GEOMAR-Institut hat auf einer Expedition im Nordatlantik zum Thema geforscht. Zwar finde sich dort überall Plastik, allerdings sehr verteilt. Große Teile zum Abgreifen seien nur selten dabei. Die Partikel im Zentimeter- oder Millimeterbereich seien dagegen nur schwer einzufangen. "Wenn man da rumfischt, mit Netzen oder Sieben, dann hat man Beifang. Und dann muss man sehr genau abwägen: Ist eventuell der Schaden, den man anrichtet, größer als der Nutzen," meint Lenz. Der Treibstoffbedarf für die Schiffe sei zudem enorm - angesichts der Klimakrise ließe sich das kaum verantworten. Nicht zuletzt dürfte es aufwendig sein, die Materialien vor dem Recycling von Algenbewuchs zu befreien.

Kleine Partikel lassen sich nicht mehr entfernen

Der Leiter des Nationalparks im Landesamt (LKN.SH) Michael Kruse ist ebenfalls skeptisch. Der Ansatz werde dem Problem nicht annähernd gerecht, so sein Urteil. Allenfalls an Flussmündungen oder im küstennahen Bereich könne der Einsatz von Schiffen etwas bringen, so Geomar-Experte Lenz. Effektiver wäre es jedoch, Einträge durch Deponien oder an Flussufern gleich zu verhindern. Lenz betont: "Wir müssen uns mit dem Gedanken abfinden, dass wir den Müll aus dem offenen Ozean nie wieder zurückkriegen. Das macht die Dringlichkeit klar, mit der wir eben in Zukunft verhindern müssen, dass noch mehr Müll in die Umwelt gelangt."

Müllexport-Verbot mit Lücken

Als eine der Hauptursachen für Plastik in den Meeren gelten die Einträge durch Flüsse, insbesondere in Südostasien. Die EU hat seit Jahresbeginn den Export von Plastikmüll an Länder außerhalb der 37 OECD-Staaten verboten. Damit können auch keine gelben Säcke mehr an den bisherigen Hauptabnehmer Malaysia verschifft werden, zumindest nicht auf direktem Wege. Eine Lieferung in die Türkei - bisher auf Platz 3 laut statistischem Bundesamt - sowie an viele weitere Länder außerhalb der EU bleibt dagegen möglich.


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