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Plastik in der Schlei - ein Jahr danach

von Peer-Axel Kroeske

05.03.2019 (archivierter Text)
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Das Schleiufer sah vor einem Jahr aus, wie mit Konfetti bestreut. Bis heute ist der Ostsee-Fjord mit Plastik verseucht. Das Schreddern von Lebensmitteln mitsamt Verpackung ist weiterhin erlaubt.

Sie sind noch immer im Schilf der Schlei zu finden: Bunte Kunststoffpartikel mit Strichcodes oder einzelnen Buchstaben. Man muss sie inzwischen etwas suchen. Doch auch ein Jahr nach dem Bekanntwerden des Plastik-Skandals spülen Wind und Wellen die Schnipsel von Folien und Bechern an. Sie stammen aus einer Anlage des Unternehmens ReFood im nordfriesischen Ahrenshöft. Dort werden Lebensmittelverpackungen zusammen mit deren Inhalt kleingehackt. Seit 2016 bis Anfang 2018 lieferte ReFood das Material an die Schleswiger Stadtwerke zur Biogasproduktion. Die Filter der Kläranlage waren dann aber über Monate nicht in der Lage, die Partikel herauszufiltern.

Kosten: Insgesamt mehr als zwei Millionen Euro

Bisher haben die Stadtwerke dafür bezahlt: Das Verbrennen des kontaminierten Klärschlamms verursachte Millionenkosten, hinzu kommen Reinigungsarbeiten, die bei Bedarf auch weiterhin von der Umweltbehörde des Kreises Schleswig-Flensburg angeordnet werden. Die Zeche würden damit die Schleswiger zahlen: Entweder über künftige Abwassergebühren oder über ein Minus in der Stadtkasse. Stadtwerke-Chef Wolfgang Schoofs wartet nach eigenen Angaben seit dem Herbst auf ein klärendes Gespräch dazu mit der Kommunalaufsicht. Allerdings sieht er den Zulieferer ReFood in der Verantwortung.

Stadtwerke: 1.700 Lieferscheine mit falschen Angaben

Infolge der öffentlichen Diskussion hatten ReFood und die Stadtwerke ihren Vertrag offen gelegt. Der Stadtwerke-Chef betont, darin sei die Lieferung von "Gärsubstraten bekannter Qualität und Güte" vereinbart worden. Die Lieferscheine hätten kaum Kunststoffanteile ausgewiesen. Allerdings waren diese Werte falsch. Der Kreis-Umweltbehörde war aufgefallen, dass die Laborwerte erheblich höher lagen. Das bestätigt auch ReFood-Sprecher Marcel Derichs. Er verweist auf einen technischen Fehler, der kein Vorsatz gewesen sei. ReFood steht aber auf dem Standpunkt, die Stadtwerke hätten den Kunststoff selbst herausfiltern müssen. An Grenzwerte sieht sich der Zulieferer nach eigenen Angaben nicht gebunden. Diese seien erst in dem Moment relevant, wenn die Reste des Gärsubstrats in die Umwelt gelangen.

Habecks Vorstoß für strengere Vorgaben

Das passiert bundesweit in großem Maßstab. Zahlreiche Biogasanlagen verwerten weiterhin ein Gemisch aus Plastik und Lebensmittelresten. Allerdings gelinge es auch, die Kunststoffanteile durch Zentrifugen und Siebanlagen fast vollständig herauszufiltern, behauptet ReFood. Schleswig sei ein Einzelfall. Ein vorheriges Auspacken sei somit nicht nötig. Schleswig-Holsteins ex-Umweltminister Habeck sah das im vergangenen Jahr anders. Er setzte das Thema auf die Tagesordnung der Umweltministerkonferenz. Seine Kollegen aus den Bundesländern stimmten einer Vorlage zu, die den Bund zum Handeln aufforderte.

Partikel kleiner, Grenzwerte unverändert

Im Bundes-Entwurf für eine neue Düngemittelverordnung sollen nun bereits Kunststoffpartikel ab einem Millimeter erfasst werden. Bisher blieb alles unter zwei Millimetern unberücksichtigt. Die Grenzwerte bleiben aber gleich. Die Bund prüft zudem, eine Pflicht zum Auspacken in einer neuen Bioabfallverordnung deutlicher zu formulieren. Zudem arbeiten Bund und Länder an einem "Konzept für eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von verpackten Lebensmittelabfällen" in dem beschrieben werden soll, welche Entpackungs- und Trenntechniken besonders geeignet sind. Schleswig-Holstein habe dabei die Federführung, teilt das Landes-Umweltministerium mit. Ein Ergebnis wird im Herbst 2019 erwartet.

Schleswiger Klärschlamm weitgehend verbrannt

Durch die Schleswiger Kläranlage wandern die Speisereste schon lange nicht mehr. Die Stadtwerke haben den Vertrag mit ReFood gekündigt. Seit dem Herbst sollen sich im nachträglich installierten Sieb auch keine Kunststoffteile mehr sammeln, die noch eine Zeitlang aus dem Faulturm ausgetreten waren. Die Lager mit kontaminiertem Klärschlamm in Eggebek (Kreis Schleswig-Flensburg), Saxtorf auf Schwansen (Kreis Rendsburg-Eckernförde), Bröthen (Kreis Herzogtum-Lauenburg) und Soltau (Heidekreis, Niedersachsen) sind inzwischen weitgehend geleert. Das Material wurde laut Stadtwerke-Chef Schoofs komplett in speziellen Anlagen in Hannover und Magdeburg verbrannt.

Landwirte bleiben skeptisch

Der neu entstehende Klärschlamm soll wieder auf den Feldern landen. Landwirte aus der Region zeigten laut Schoofs aber kein Interesse daran. Stattdessen fand sich ein Verwerter aus Hamburg. Weil Gärmaterial und damit Biogas fehlt, ist das Blockheizkraftwerk in Schleswig nur noch wenige Stunden in Betrieb. Auch dadurch entstehen Verluste. Eine neue Biogasanlage ist aber in Planung. Und schließlich rücken Reinigungskräfte noch immer aus, wenn jemand Plastikpartikel am Schleiufer meldet. Das ist aber inzwischen nur noch an wenigen Tagen im Monat der Fall.


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