Private Solaranlage im Garten soll abgerissen werden
von Peer-Axel Kroeske
25.04.2022 (archivierter Text)
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5.000 Euro Strafe hat der Kreis Nordfriesland einem Ehepaar angedroht, das eine Photovoltaikanlage im Garten gebaut hat.
Die Nachbarn wohnen weit weg. Sie dürften sich durch die Solaranlage kaum gestört fühlen: Der Hof Paradies liegt einen Kilometer westlich vom Hof Hilligenbohl in Galmsbüll, wo am Wochenende gerade das Narzissenfest gefeiert wurde. Ansonsten: flaches Land, viele Windanlagen. Der Garten hinter dem großen Reetdachhaus ist von Bäumen umgeben. Vom Wirtschaftsweg sieht man die Module kaum, die auf acht mal acht Metern bis zu 2,50 Meter in die Höhe ragen und 11 Kilowatt Spitzenleistung liefern. Das entspricht einer üblichen Dachanlage.
Keine Solarmodule auf dem Reetdachhaus erlaubt
Seit 31 Jahren lebt hier das Ehepaar Römer, das sich allerdings beruflich oft im Hamburger Raum aufhält. Heidrun Petersen-Römer war früher Schauspielerin, gelegentlich moderierte sie auch die NDR-Satiresendung "Extra 3", jetzt castet sie Kollegen für ZDF-Fernsehfilme. Theo Römer arbeitet als Zahnarzt in Oststeinbek im Kreis Stormarn. Ein Teil des großen Reetdachhauses ist an Freunde als Ferienwohnung vermietet. Beide betonen, sie wollen mit einer Solaranlage etwas zum Klimaschutz beitragen. "Das ist dem Gedanken an unsere Kinder und Enkelkinder geschuldet," meint Theo Römer. Der Denkmalschutz erlaubt allerdings keine Solarmodule auf dem Reet. Deshalb planten sie kurzerhand eine Anlage im Garten.
Bauamt sagt Nein - die Römers bauen trotzdem
Dass außerorts besondere Regeln gelten, wussten die Römers. Sie benötigen keine Baugenehmigung, müssen sich aber trotzdem an Vorgaben halten. Das Baugesetzbuch erlaubt nur bestimmte Vorhaben, die etwa der Landwirtschaft oder dem Gartenbau dienen. Theo Römer fragte in der Bauaufsichtsbehörde in Husum zunächst an, ob er eine doppelt so große Anlage errichten könne. Die Antwort war ein klares Nein. Dann holte das Paar den rechtlichen Rat der eigenen Tochter ein, einer Rechtsanwältin. Sie bauten die Solaranlage daraufhin kleiner als geplant und informierten die Gemeindevertretung, die keine Einwände hatte. Das Bauamt fragten sie aber nicht noch einmal. Als die Anlage stand, erschienen zwei Mitarbeiter der Behörde unangemeldet. Die Konsequenz: Eine "Beseitigungsverfügung". Wenn die PV-Anlage nicht bis Mitte Juli abmontiert ist, drohen 5.000 Euro Strafe. Auch ein Geräteschuppen soll abgerissen werden, der schon seit mehr als 30 Jahren steht.
Carport, Rutsche oder Kaninchenstall werden geduldet
Die Frage, was in Gärten außerhalb von Ortschaften gebaut werden darf, gilt als heißes Eisen. Erlaubt sei eigentlich nur ein kleiner Schuppen mit zehn Kubikmetern, sagt Galmsbülls Bürgermeister Norbert Rühmann. Da passe nur ein Rasenmäher rein. Er stellt aber fest, dass Carports geduldet werden. Für Solaranlagen müsse dringend eine Regelung gefunden werden, meint er. Der Sprecher des Kreises Nordfriesland Hans-Martin Slopianka meint dazu, dass Bauten unproblematisch seien, die der häuslichen Nutzung zuzuordnen seien, wie etwa eine Rutsche oder ein Kaninchenstall.
"Beseitigungsverfügung" verweist auf Naturschutz
Das Gesetz erlaubt sogar ausdrücklich Vorhaben, die der "öffentlichen Versorgung mit Elektrizität" dienen, wenn keine "öffentlichen Belange entgegenstehen". Und tatsächlich speist die PV-Anlage überschüssige Energie ins Stromnetz ein. Dies ist laut Kreis aber von der Menge unerheblich, zumal der Flächennutzungsplan eine landwirtschaftliche Nutzung vorsieht. "Daher sind Vorhaben mit anderer Zweckbestimmung unzulässig," heißt es in dem Schreiben. Sie seien aus "Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege" zu vermeiden.
Streit um den Ermessensspielraum
Der Kieler Fachanwalt Mischa Färber kann diese Argumentation nachvollziehen. Dennoch sieht er einen Ermessensspielraum. Der Kreis hätte auch zu einer anderen Einschätzung kommen können. Im sogenannten "Osterpaket" von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist zudem vorgesehen, dass dem Ausbau erneuerbarer Energien künftig ein öffentliches Interesse zugeschrieben wird. Damit könnten die Chancen auf Genehmigungen bald steigen. Für Garten-Solaranlagen innerhalb von Ortschaften sieht Färber weniger Hürden.
Lohnend nur, wenn der Strom selbst verbraucht wird
Bisher sind die Römers noch ein Sonderfall. Das Thema ist neu. Dem Landesverband für Erneuerbare Energien sind keine weiteren Gartenanlagen bekannt. Doch Module werden immer billiger, Strom tendenziell teurer. Eine Vergütung für eingespeisten Strom aus Gartenanlagen ist gesetzlich nicht vorgesehen, stellt die Schleswig-Holstein Netz AG fest. Somit spart nur Geld, wer den Strom selbst verbraucht. Das Ehepaar Römer hat nach eigenen Angaben 32.000 Euro für die Anlage inklusive Speicher ausgegeben - deutlich mehr als für eine Dachanlage dieser Größe.
Gartenanlage als Teil eines großen Solarparks
Die Römers wollen jetzt Widerspruch einlegen. Wenn das nichts hilft, setzen sie auf einen Kniff: Auf einer nahe liegenden Fläche soll ein 4,2 Hektar großer Solarpark entstehen, 650 mal so groß wie ihre eigene Anlage. Diese könnte Teil des Bebauungsplans werden, hoffen sie. Damit würden sie unter das juristische Dach des großen Solarparks fallen. Auch der der Natur- und Landschaftsschutz wäre damit abgeklärt. Bisher ist das aber nur eine Idee.