Flut von Anfragen für Solarparks auf Freiflächen in SH
von Peer-Axel Kroeske
08.06.2021 (archivierter Text)
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Mit Solarparks erzielen Landwirte hohe Pachten. Weil sich die Projekte inzwischen ganz ohne Förderung rentieren, kommen zahlreiche Flächen in Betracht. Die Gemeinden versuchen, die Antragsflut zu ordnen.
Das Interesse ist groß: Bei Handewitts Bürgermeister Thomas Rasmussen liegen Anfragen für 245 Hektar auf dem Tisch, allein für seine Gemeinde. Das ist mehr als doppelt so viel Fläche, wie der bisher größte Solarpark Schleswig-Holsteins in Eggebek hat. "Diesen Anträgen stellen wir uns gerne, weil die Gemeinde den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben will", sagt Rasmussen. Auch er stellt eine Dynamik fest, in wenigen Wochen habe sich viel getan.
Regionale Projektierer leisten die Vorarbeit
Es sind Landwirte und Planungsbüros, die rechtzeitig die Fühler ausstrecken. Dazu gehört auch der Glücksburger Immobilienunternehmer John Witt, der früher dort Bürgermeister war. Seine Gesellschaft betreut derzeit mehr als 30 Projekte rund um Flensburg und im Kreis Ostholstein. "In der Regel ist es so, dass die Landwirte sich bei uns melden. Oftmals sind das Betriebe, die die Landwirtschaft aufgeben wollen", berichtet er. Und die Pachten seien attraktiv. Nachdem Witts Büro alles vorbereitet hat, übernimmt die Hamburger Enerparc AG dann Investition und Betrieb. Das ist eine Gesellschaft, die nach eigenen Angaben weltweit mehr als 3 Gigawatt Solarstrom ans Netz gebracht hat. Das entspricht der Größenordnung mehrerer Kernkraftwerke.
Solarstrom günstiger als Kohle und Gas
Dass sich die Projekte auf der grünen Wiese jetzt ohne Förderung rentieren, liegt an gesunkenen Kosten für Solarmodule und am gestiegenen Börsenstrompreis. Die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken zahlen einen steigenden Preis für das CO2, das sie emittieren. Hier wird die Kilowattstunde derzeit für fünf bis 8 Cent am Markt gehandelt. Laut Witt können die Betreiber neuer Solarparks schon bei Preisen von drei bis vier Cent kostendeckend arbeiten.
Ganz andere Preise galten, als zwischen 2004 und 2012 die ersten Freiflächenanlagen entstanden. Anfangs wurden noch mehr als 40 Cent über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für jeweils 20 Jahre garantiert. Danach sank die Förderung rapide und beschränkte sich fortan auf Flächen an Gleisen und Autobahnen sowie ehemalige Bundeswehrstandorte. Andernorts wurden Solarparks kaum noch genehmigt. Doch seit gut zwei Jahren nimmt das Thema wieder Fahrt auf.
Gemeinden hoffen auf sprudelnde Gewerbesteuern
Künftig sollen sich auch Bürger an den Solarparks finanziell beteiligen können, sagt Witt, und sieht darin ein wichtiges Argument für die Akzeptanz der Anlagen. Er wirbt außerdem mit Wasserstofftankstellen und günstigen Stromtarifen für die Gemeinden. Örtliche Bürgergesellschaften könnten bei Kalkulation und Pachten dagegen kaum mithalten, berichten Brancheninsider. Die Gemeinden hoffen auf Gewerbesteuern, die zu 90 Prozent am Standort bleiben. Auch in Handewitt mischt Witt mit, ebenso in Leck, wo er zwei Flächen mit mehr als 50 Hektar realisieren möchte. Dort berichtet Bürgermeister Andreas Deidert, ein anderes Unternehmen habe sogar eine naturverträgliche Vernässung der Flächen unter den Modulen in Aussicht gestellt.
SH Netz AG: Wind bleibt im Norden die Nr. 1
Weder von den 245 Hektar in Handewitt noch von den Flächen in Leck hat die Schleswig-Holstein Netz AG bisher Kenntnis - zu frisch sind diese Pläne. Doch das Unternehmen schätzt, dass die installierte Photovoltaik-Leistung in Schleswig-Holstein bis 2035 von 1,6 auf 5,5 Gigawatt wachsen wird. Die Solarparks würden sich damit verdreifachen. Bisher stehen die mit Abstand meisten von ihnen in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland.
Deutschlandweit ist nach einem aktuellen Szenario des Fraunhofer-Instituts sogar noch weit mehr nötig: nämlich eine Verzehnfachung der Freiflächen-Anlagen bis 2035 auf dann mehr als 150 Gigawatt. Das entspricht etwa einem Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Hinzu käme ein massiver Ausbau auf Hausdächern, um die Klimaziele zu erreichen. Auch ein weiterer Ausbau der Stromnetze ist damit verbunden, um Abschaltungen zu vermeiden. Die Schleswig-Holstein Netz AG geht aber davon aus, dass im Norden die Windenergie weiterhin eine größere Rolle als Solarenergie spielen wird.
Erlass des Landes soll Orientierung bringen
In Handewitt versucht nun ein externes Planungsbüro, die Flächen zu strukturieren. Rund um Wald und Seen sollen keine Anlagen entstehen. Bei Siedlungen ist ein Abstand von 100 Metern im Gespräch, in Fällen einer Einzellage soll individuell entschieden werden. Diskussionen gab es um die Frage, ob im Bereich von Windparks zusätzlich Photovoltaik zugelassen werden soll. Voraussichtlich wird es so kommen. Weitere Orientierung erwarten die Gemeinden Handewitt und Leck von einem Erlass des Landes, der noch vor der Sommerpause angekündigt ist. Bis die Bauanträge beschieden sind und die Installation beginnt, dauert es dann noch etwa ein bis zwei Jahre.