Die Pferdeklappe Norderbrarup: Ein Phänomen
von Peer-Axel Kroeske
19.05.2017 (archivierter Text)
ZUM VOLLSTÄNDIGEN ARTIKEL (archive.org)
Vier Jahre nach dem Start kann sich die Pferdeklappe in Norderbrarup vor Anfragen kaum retten. Dort werden Tiere vermittelt, deren Besitzer nicht mehr in der Lage sind, sich um die Pferde zu kümmern.
Mehr als 40.000 persönliche Anfragen bei Facebook, 3.000 E-Mails und Dutzende Telefonate - wenn Petra Tegen ein Pferd wie "Lanzer" ins Internet stellt, kann sie sich vor Anfragen nicht retten. Der Besitzer ist erkrankt und kann sich nicht mehr um das sieben Jahre junge Dressurpferd kümmern. Wer auf der Warteliste oben steht, hat jetzt gute Chancen. Neue Besitzer finden sich aber auch für Pferde, die alt oder abgemagert sind. "Früher brauchten wir sechs Wochen zum Vermitteln, jetzt sind es nur drei Tage," freut sich die Initiatorin der in Deutschland einzigartigen Pferdeklappe in Norderbrarup (Kreis Schleswig-Flensburg), die es inzwischen seit vier Jahren gibt.
In den Startlöchern für einen neuen Stall
240 Pferde fanden allein im vergangenen Jahr neue Besitzer. Schon jetzt ist ein weiterer Anstieg abzusehen. Knapp die Hälfte der Tiere bleibt dabei in Schleswig-Holstein. Etwa 40 Pferde halten sich zur Zeit auf den Weiden auf. Doch im Winter müssen sie in die Boxen. Und deren Zustand hat in vier intensiven Jahren gelitten. "Wir reparieren und reparieren. Irgendwann geht es einfach nicht mehr. Wir müssen jetzt loslegen," weiß Tegen. Sie plant einen Neubau, sucht aber noch nach weiteren Unterstützern. Von 140.000 Euro Baukosten sind inzwischen 50.000 Euro zugesagt - darunter kleinere und größere Einzelspenden, der Erlös eines Buches und Gelder mehrerer Stiftungen sowie der Bingo-Umweltlotterie. Eine Stiftung, von der ein hoher Betrag in Aussicht stand, hat allerdings vor wenigen Tagen abgesagt. Das wirft das Projekt zurück. Öffentliche Gelder sind nicht in Aussicht.
Der Wunsch: Ein eigener Bereich für Fohlen
Dringend nötig sei ein eigener Bereich für Fohlen, die zunehmend angeliefert werden, findet Tegen. Viele Pferdeliebhaber retteten die jungen Tiere vor der Schlachtbank und kauften sie frei, so Tegen. Bei der Pferdeklappe landen die jungen Tiere in einer Herde. "Da gab es schon richtig Kloppe von den Großen," erzählt Tegen. Auch in Fohlen-Laufboxen könne es natürlich zu Rangkämpfen kommen. Die Verletzungsgefahr sei dann aber geringer.
"Reisekostenkasse" für mittellose Halter
Mittellose Pferdehalter, die den Transport nach Norderbrarup sonst nicht finanzieren können, werden von der Pferdeklappe inzwischen durch den Verkauf von Sachspenden unterstützt. In Norderbrarup nennen sie das "Reisekostenkasse". Die Pferdeklappe möchte bald auch fünf Plätze für sogenannte Gnadenbrotpferde bereithalten, die älter als 20 Jahre sind. Hier hat Tegen die Pflicht, die Tiere bis an deren Lebensende zu pflegen. Diese Pflicht kann jedoch an Interessenten abgetreten werden.
Handwerker unterbieten sich bei Preisen
Anonym werden die Tiere kaum noch abgegeben. Die Halter wissen inzwischen, dass die Pferdeklappe diskret mit den Informationen über ihre persönliche Situation umgeht. Die Pferdeklappe in Norderbrarup hat auch viele indirekte Unterstützer: Tierärzte etwa, die in ganz Deutschland kostenlos kontrollieren, ob die vermittelten Pferde auch in gute Obhut kommen. Und Handwerker unterbieten sich mit günstigen Preisen für den Bau des neuen Stalls. Trotzdem reicht das Geld noch nicht. Zum vierten Geburtstag am 1. Juli ist wieder ein großer Flohmarkt geplant. Dort werden Sachspenden verkauft, um die Arbeit der Pferdeklappe weiter zu unterstützen.