Schleichweg nach Dänemark: Wenn das Navi in die Sackgasse führt
von Peer-Axel Kroeske
23.07.2022 (archivierter Text)
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Nach Dänemark ist in Niehuus für Autos kein Durchkommen. Doch die Schilder werden ignoriert. Die Anwohner sind genervt.
Bettenwechsel in Dänemark, die Reisewelle rollt. Am Sonnabendmittag staut sich die Blechlawine auf der A7 etwa vier Kilometer zurück, weil Dänemark trotz Schengen-Abkommen seit sechs Jahren Einreisende kontrolliert. Momentan wird das durch die allgemeine Terrorismusgefahr begründet. Auch die Übergänge nach Krusau und Pattburg sind überlastet.
In Harrislee (Kreis Schleswig-Flensburg) staut sich der Verkehr quer durch das gesamte Gewerbegebiet. Diese Route gibt die Navigation von Google als beste Option aus. Sie führt auch zum Ziel. Doch wer auf Apple vertraut, bekommt einen vermeintlichen Schleichweg auf das Display, der in eine Sackgasse mündet: die Straße "Schloßberg" in Niehuus. An deren Ende steht ein Poller. Hier dürfen nur Radfahrer und Fußgänger über die Grenze.
Wohnmobile und internationale Kennzeichen
Niehuus ist ein beschauliches Dorf an einem eiszeitlichen Tunneltal. Die besten Lagen haben Ausblick über einen kleinen See. Eine schmale Stichstraße führt bis zur Grenze. Kennzeichen aus München, aus Rumänien und Schweden begegnen sich hier. Gerade will ein breites Wohnmobil mit norwegischem Kennzeichen einbiegen. Dahinter blinkt ein Wagen aus dem dänischen Gravenstein.
Anette und Kent aus Hadersleben haben schon gewendet. "Wir waren nur kurz einkaufen. Da war ganz viel Stau an der Grenze. Dann wollten wir die kleinen Straßen nehmen," erzählen sie. Alle nutzen die Navigation von Apple.
700 Meter Stau in Niehuus
"Dieses Jahr hat es wieder richtig zugenommen", meint Anwohner Frank Schröder. "Das ist letztes Wochenende so schlimm gewesen, dass die Nachbarin gedacht hat: Was stehen die Leute und gucken in unser Fenster? Dabei standen die Leute im Stau - 700 Meter hoch bis es nicht mehr weitergeht." Ganz so schlimm ist es beim Ortstermin am 23. Juli nicht: Vorführeffekt!
Wendechaos mit Anhängern auf Privatgrundstück
Laut Schröder ignorieren auch etliche Fahrer die Tempo 30-Zone. Um ihn versammelt sind weitere Dorfbewohner. Sie alle sind genervt. Conny Behrendsen berichtet: "Wir sind das letzte Haus vor der Grenze. Da geben sie nochmal richtig Gas. Ich habe meinen kleinen Enkel schon ein paar Mal ins Gebüsch geschmissen. Und wenn die da im Stau stehen, wird unser Grundstück als Wendeplatz genommen - mit Anhänger und Wohnwagen."
Apple reagierte zunächst nicht auf Korrektur
Anwohner Christian Benz hat versucht, das Problem zu melden. Dafür gibt es eine Seite im Internet, die er erst eine Weile suchen musste. Dort lassen sich etwa falsche Angaben zu Häusern berichtigen. Unpassierbare Grenzübergänge sind aber nicht vorgesehen. Also schrieb er einen Text - ohne Antwort.
Autofahrer gucken auf Navi statt auf die Verkehrszeichen
Mehr Schilder, wäre ein weiterer Ansatz. Eines steht bereits am Beginn des Schloßbergs neben dem Sackgassensymbol und teilt unmissverständlich auf deutsch und dänisch mit: Kein Grenzübergang. "Dieses kleine Schild wurde montiert, nachdem sich ein Lkw hier festgefahren hatte. Aber das wird geflissentlich übersehen, weil die Leute nur auf ihr Navigationsgerät schauen," stellt Mark Wendt fest, der nebenan wohnt.
Vier weitere Schilder geplant
Die Anwohner haben übergangsweise in Absprache mit dem Bauamt eine Sperre kurz vor Ortsende aufgebaut. Die Gemeinde Harrislee - zu der Niehuus gehört - hat zudem das Verkehrsministerium angeschrieben und kündigt vier weitere Schilder in den kommenden Tagen an. Aber solange sich bei den Navis nichts ändert, bleiben die Anwohner skeptisch, ob das ausreicht.
Funktionierende Alternativen zu den großen Grenzübergängen gibt es übrigens mehrere. In Ellund-Wilmkjer, Sofiedal und Pepersmark entlang der Grenzstraße (L192) wird nur selten kontrolliert. Dies bietet sich insbesondere für Urlauber an, die an die Nordsee wollen. Und auch an der B5 in Nordfriesland werden Autofahrer nur gelegentlich angehalten.
Update am 29.Juli: Eine E-Mail an den Apple-Chef hat das Problem vermutlich gelöst
Der Handewitter Computerspezialist Jörg Goy hat die Berichte über Niehuus im NDR Schleswig-Holstein Magazin und im Internet verfolgt. "Das hat meinen sportlichen Ehrgeiz geweckt," berichtet er. Und so schrieb er einfach eine E-Mail an den Apple-Chef Tim Cook persönlich. Dessen Adresse ist öffentlich. "Ich hatte mal gelesen, dass Tim Cook morgens seine E-Mails durchguckt," erzählt er. Abends war die Antwort von Apple da: Das Problem werde gelöst. Ein erster Test hat ergeben, dass die Karten-App die Niehuus-Route jetzt nicht mehr ausgibt. Ob der Chef aber wirklich persönlich die E-Mail gelesen, wird Jörg Goy wohl nie erfahren.