Musikschule rollt im Container über die Dörfer
von Peer-Axel Kroeske
04.02.2018 (archivierter Text)
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Klavier- und Akkordeonlehrer Rolf Linders hat nach 20 Jahren seine Unterrichtsräume aufgegeben und ist in einen Container umgestiegen. Mit diesem fährt er in Angeln von Dorf zu Dorf.
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg. Und das gilt offenbar auch für Musikschulen. Rolf Linders parkt seinen Container abwechselnd auf Parkplätzen in Steinbergkirche und Satrup sowie auf dem Markt in Süderbrarup im Kreis Schleswig-Flensburg. "Ich parke ein, Stützen wie beim Campingwagen. Strom bekomme ich immer extern, hier ist ein Zähler drin", sagt Linders. "Dann gehe ich rein und baue auf: die gestapelten Stühle, Keyboards. Das dauert keine 20 Minuten, dann bin ich fertig." Und in dieser Zeit bringen auch die drei kleinen, elektrischen Heizkörper an der Wand den Raum auf eine angenehme Temperatur, selbst wenn es draußen friert.
Wenig Platz, trotzdem gemütlich
Gleich hinter der Eingangstür des Containers: ein kleiner Warteraum mit Garderobe. "Natürlich können die Kinder nicht draußen im Regen oder im Kalten stehen. Alle sind erstaunt über das Platzangebot, weil er von außen wohl kleiner wirkt. Mir fehlt hier nichts," sagt Linders. Es wirkt wohnlich in dem kleinen Raum. Die Wand ist mit flauschigen Stoffstreifen versehen, allerdings auch, damit es nicht so hallt. Ein Teppich bedeckt den Boden. "Ich möchte es nett haben," betont Linders.
Vier Keyboards, zwei links, zwei rechts, bilden dann den Kern des Raums. Lena, Lorena und Maximilian bekommen hier Ensembleunterricht. Lorena findet es "etwas komisch, dass Gitter vor den Fenstern sind". Maximilian meint, der Container sei "ganz cool". Annegret Schmidt aus Steinfeld bekommt Einzelunterricht. "Es ist schön hier drinnen," sagt sie und freut sich, dass sie es nach Süderbrarup nicht mehr so weit hat.
Schüler haben keine Zeit für weite Wege
Weitaus mehr Platz hatte Rolf Linders bis vor zwei Jahren noch an seinem festen Standort in Steinbergkirche. "Das waren richtig schöne Räumlichkeiten mit einer Bühne. Da waren einzelne Bereiche nur für Keyboard und nur für Akkordeon." Doch was nützt die schönste Musikschule, wenn die Schülerzahlen schrumpfen - von rund 100 in den besten Zeiten auf zuletzt weniger als 30.
Da kam Linders die Idee mit dem Container, mit dem er seinen Radius erweitern konnte. "Ich brauche nicht zu warten, bis 20 Süderbraruper oder Satruper zu mir nach Steinbergkirche fahren. Das wird nämlich nicht passieren," stellt er fest. Ein Grund mag auch die knappe Freizeit sein, da Schulen verstärkt bis in den Nachmittag unterrichten.
Start ohne eine einzige Anmeldung
Als der Container im vorletzten Winter bereit zum Einsatz war, wagte Linders den Sprung ins kalte Wasser. "Da bin ich auf blauen Dunst, mit keinem einzigen Schüler, auch keiner Anfrage nach Süderbrarup gefahren und hab gewartet, was passiert." Nur in einem örtlichen Werbeblatt hatte er eine Anzeige geschaltet. Tatsächlich klopfte gleich eine Frau an die Tür, die schon immer mal Akkordeon spielen wollte. Das Angebot sprach sich rum, "wie ein Schneeballeffekt," meint Linders. Inzwischen steht er dort zwei Tage pro Woche.
Konkurrenz befürchtet
In Süderbrarup klappte die Zusammenarbeit mit der Gemeinde reibungslos. In Satrup rannte Linders aber keine offenen Türen ein. Bürgermeisterin Britta Lang schreibt auf Anfrage von NDR 1 Welle Nord: "Die Kreismusikschule hält seit Jahren ein sehr umfangreiches Angebot im Ortsteil Satrup vor, welches jährlich mit einem hohen fünfstelligen Betrag im Wesentlichen von der Gemeinde Mittelangeln getragen werden muss." Die Gemeinde konnte der rollenden Musikschule keine Flächen anbieten. Auf dem Privatgelände kostet der Stellplatz etwas mehr.
Keine halben Sachen
Natürlich hätte Linders auch vorhandene Räume tageweise mieten können. "Da müsste ich dann alles reinstellen. Für mich ist das nicht der Weg," stellt er klar. 25.000 Euro hat Linders für den Container bezahlt. Weitere Kosten entstanden eigentlich nicht. Ein neues Fahrzeug war sowieso fällig. Die Instrumente hatte er schon. Ein vierter oder fünfter Ort könnte noch hinzukommen, für jeweils einen ganzen Tag. Weniger sollte es nicht sein. Dafür dauern Auf- und Abbau dann doch zu lange. 70 Schüler sind es bereits wieder, 100 wären für Linders ein Traum. Und er räumt ein: "Mehr kann ich allein auch nicht bewältigen."