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Papierfabrik in Flensburg: Drei Generationen bangen

von Peer-Axel Kroeske

02.11.2022 (archivierter Text)
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Opa, Vater, Tochter und Sohn: Die Wippichs arbeiten bei Mitsubishi HiTec Paper. Sie wissen nicht, ob es 2023 weitergeht.

Es ist gar nicht so leicht, die Wippichs gleichzeitig an einen Tisch zu bekommen. Pascal hatte gerade Nachtschicht. Denn in der Flensburger Papierfabrik wird durchgehend gearbeitet, selbst am Wochenende. Der 33-jährige Familienvater, der ein Haus finanziert, ist Industriemeister der Fachrichtung Papiererzeugung. Wie sein Vater Rajmund Wippich prüft er laufend, ob die Maschinen das Thermopapier in guter Qualität produzieren und koordiniert die Abläufe. Manchmal hat er auch gemeinsam Schicht mit seiner Schwester Vanessa Wippich und ist dann ihr Vorgesetzter. Auch sie will noch ihren Meister machen. Eine Ausbildung dazu wurde ihr versprochen, sagt sie. Aber ob daraus etwas wird, ist seit drei Monaten ungewiss.

Treue Belegschaft

Es war nur eine kurze Mitteilung, die die Mitsubishi-Zentrale in Japan am 5. August veröffentlichte: Wegen der dramatischen Kostensituation werde sich das Unternehmen aus Flensburg zum Jahresende zurückziehen. Seitdem flossen kaum Informationen. Mit einer Kundgebung machten die Kollegen auf ihre Situation aufmerksam. Auf NDR-Anfrage teilte Mitsubishi nur mit, ein Verkauf des Werks werde angestrebt. Doch die Zeit wird knapp. Im Januar stehen die Maschinen still, fürchten Vanessa, Pascal und Rajmund Wippich. Dabei ist die mehr als 200-köpfige Belegschaft dem Werk besonders treu - mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren. Daraus ergeben sich auch Kündigungsfristen von mehreren Monaten. Bisher wurden noch keine Kündigungen verschickt.

Schon viele Wechsel, doch noch nie so viele Fragezeichen

Rajmund Wippichs Vater Hubert kam 1979 im Rahmen einer Familienzusammenführung aus Polen nach Flensburg. In dem Werk, das damals alle als "Feldmühle" kannten, fand er Arbeit. Aus gesundheitlichen Gründen ist er inzwischen stark eingeschränkt. Vanessa Wippich engagiert sich im Betriebsrat und lobt das gute Klima. Es gab schon mehrere Besitzerwechsel, erinnert sich Rajmund. Doch noch nie sei die Unsicherheit so groß wie jetzt gewesen.

Seit August hat sich die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert

Mit der Produktion von Thermopapier schrieb Mitsubishi in Flensburg noch bis 2020 schwarze Zahlen. Bustickets, Parkbelege, Konzertkarten werden weltweit auf Papier aus Flensburg gedruckt. Dann kam Corona, anschließend schoss der Gaspreis in die Höhe. Als die Ankündigung im August kam, hatte er seine Spitze erreicht. Aber seitdem ist Gas wieder günstiger geworden, bald greift zudem die Gaspreisbremse. Das Werk könne doch weitermachen, meinen die Wippichs: "Warum sollte jemand eine Fabrik schließen, die schwarze Zahlen schreibt? Das verstehen wir nicht."

Papier ersetzt Plastik - eine Chance für Flensburg?

Zwar meint Pascal Wippich: "Seit mehreren Jahren ist klar, dass Thermopapier ein auslaufendes Produkt ist." Aber eine Alternative wurde in Flensburg bereits erprobt: So genanntes Barrierepapier. Lebensmittel könnten in speziell beschichtetes Papier eingewickelt werden, das biologisch abbaubar sein soll. Der Markt ist noch viel größer. "Mein Aha-Erlebnis war, als mein Sohn Legosteine auspackte, die alle in Plastik verpackt waren," erzählt Pascal Wippich.

Hoffnung auf mehr Informationen aus Japan

Das nächste Treffen zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und japanischer Unternehmensleitung ist für den 10. November angesetzt. Vanessa, Pascal und Rajmund Wippich hoffen, dass sie dann endlich Hinweise bekommen, worauf sie sich einstellen müssen.


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