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Marschbahn: Experte fordert Ende der Experimente

von Peer-Axel Kroeske

26.06.2018 (archivierter Text)
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Verspätungen, Ausfälle, Technik-Probleme: Die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Sylt ist ein Dauerpatient. Bahn-Experte von Andrian nennt im Interview mit NDR.de Ursachen für die Misere.

Seit dem Herbst 2016 gab es kaum eine Woche auf der Bahnstrecke von Hamburg nach Sylt, in denen die Fahrpläne weitgehend eingehalten wurden. Erst mussten die 90 Waggons in die Werkstatt, dann die Loks. Hinzu kommen Reparaturen an Schienen, krankheitsbedingte Ausfälle ohne Ersatz und viele technische Probleme. Für Bahnexperte Walter von Andrian, Herausgeber des Fachmagazins "Schweizer Eisenbahn-Revue", gibt es dafür mehrere Ursachen. NDR.de hat mit ihm gesprochen.

Herr von Andrian, was läuft bei der Marschbahn schief?

Von Andrian: Die Strecke nach Sylt ist eine besondere Bahnstrecke, wie es nicht viele andere gibt. Die Insel ist verkehrsmäßig weitgehend von der Eisenbahn abhängig. Und die Strecke dorthin ist technisch fast 100 Jahre alt und kaum modernisiert worden. Es sind noch die gleichen Stellwerke in Betrieb, die dem Reichspräsidenten Hindenburg die Fahrt ermöglicht haben. Und die Strecke ist nicht gerüstet für den Ansturm an Zügen.

Dazu kommt heute die schwierige Situation des Eisenbahnwesens nach der Bahnreform. Es ist ein Land, das seine Wünsche hat, es ist eine Bahn AG, die einerseits die Strecke unterhalten muss und andererseits über ihre Verkehrsgesellschaften fahren will. Und dann kommen noch Private hinzu, die Autozüge in Konkurrenz zu den Zügen der DB AG machen wollen. Das alles zusammen ist eine recht schwierige Mischung. Es ist niemand da, der die Interessen aller unter einen Hut bringt, vor allem auch die Interessen der Fahrgäste sicherstellt. Die Bahn müsste die Strecke ausbauen, modernisieren und rechtzeitig die Wartung machen. Bei den neuesten Problemen ist ja offenbar die Wartung verspätet gemacht worden.

War es auch unglücklich, dass man Züge auf den Weg schickt, die noch nicht so sehr erprobt sind?

Von Andrian: Ja. Man hat neue Diesellokomotiven eingesetzt, die noch keine Betriebserprobungen im längeren Sinne hinter sich haben. Und die haben jetzt technische Probleme, brauchen eine Sanierung. Man hat spezielle Wagen eingesetzt, bei denen man auch noch keine Langzeiterfahrung hatte. Da sind mit diesen Spezialkupplungen Probleme aufgetaucht, die man nicht kurzfristig beheben konnte. Es fehlt eine Gesamtbeurteilung des Systems bei der Eisenbahn zwischen Sylt und dem Festland. Und es müsste jemand sagen können: Wir machen das und das und dann funktioniert es.

Sie kennen viele Strecken in Europa. Bestehen irgendwo ähnliche Probleme?

Es gibt vielleicht eine vergleichbare Situation mit dem Kurort Zermatt in der Schweiz. Der ist auch vollständig von der Bahn abhängig. Der hat nicht mal einen Flugplatz. Aber da hat man halt frühzeitig immer die Bahn in einer Hand belassen. Das ist ein geschlossenes System - Strecke und Betrieb. Und da gibt es keine größeren Probleme außer Lawinen-Niedergänge. Ähnliche Probleme des Systemausfalls gab es vor einigen Jahren bei der Berliner S-Bahn. Oder wir hatten die Situation in Rastatt in Baden wegen des Einsturzes dieser Tunnelbaustelle, wo der ganze europäische Güterverkehr in Nord-Süd-Richtung für mehrere Wochen unterbrochen wurde.

Auf der Strecke nach Sylt haben sich die Probleme nun schon seit anderthalb Jahren verschärft. Fällt Ihnen da etwas Vergleichbares ein?

Von Andrian: Aus dem Stegreif könnte ich da jetzt nichts Vergleichbares nennen. Es sind eigentlich verschiedene Probleme, die nacheinander gekommen sind. Aber jedes für sich ist eigentlich symptomatisch für die Situation der Bahn, dass man die Betreiber von Infrastruktur und Zügen getrennt hat und dann noch die politischen Besteller hinzukommen. Also das Land, das den Nahverkehr organisiert und der Fernverkehr, der wieder eigenwirtschaftlich geführt wird und die Autozüge. Das führt zu allerlei Konflikten und jeder Beteiligte muss für sich versuchen, das Beste rauszuholen. Aber das Gesamtinteresse muss wieder im Vordergrund stehen, dass man sagt: Wir machen keine Experimente mehr, sondern wir nehmen jetzt bewährte Technik und wir machen den Unterhalt frühzeitig und nicht erst im letzten Moment - all die Probleme sind eine Folge des Systems, wie die Eisenbahnen heute betrieben werden.

Das Interview führte Peer-Axel Kroeske, NDR 1 Welle Nord.


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