Löwenstedter knipsen per Handy Straßenlaternen an
von Peer-Axel Kroeske
21.01.2018 (archivierter Text)
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Im nordfriesischen Löwenstedt können die Bürger die gesamte Beleuchtung im Dorf mit ihren Handys einschalten. Ein junger Programmierer aus dem Dorf hat dafür eine App entwickelt.
Nachts sind in der 650-Einwohner-Gemeinde Löwenstedt noch erstaunlich viele Leute unterwegs. Die Gastwirtschaft läuft gut, man kennt und trifft sich. Eine halbe Stunde nach Mitternacht gehen die Straßenleuchten im Dorf allerdings aus, um Energie zu sparen. "Wenn man im Dunkeln rumläuft und dann hört man hier oder da mal ein Geräusch, ist es natürlich schon Luxus, wenn man sich mal eben das Licht anmachen kann," sagt die Löwenstedterin Jenny Viebrock. Seit ein paar Wochen kann sie das ganz einfach tun, indem sie auf ihr Handy drückt. Für 12 Minuten wird es dann im ganzen Dorf hell. Und bei Bedarf kann sie nochmal drücken.
"Internet der Dinge" nicht nur im Wohnzimmer
"Knoop" heißt auf Plattdeutsch Knopf. So hat Simon Hansen seine App getauft. Der junge Informatiker studierte bis vor Kurzem noch an der Hochschule Flensburg, nachdem er bereits eine Elektroniker-Ausbildung abgeschlossen hatte. Zusammen mit Freunden hat er nun die Softwareschmiede Sourceboat gegründet. Der "Knoop" war aber anfangs nur für sein Wohnzimmer gedacht: "Eigentlich wollte ich hier die Deckenlampe steuern, bin dann aber mal nachts im Dunkeln nach Hause gelaufen," erzählt er. Und da kam ihm der Gedanke: Wieso nicht gleich das ganze Dorf?
Schaltbefehl wandert quer durch Deutschland
Wenn Jenny Viebrock oder Melf Jensen nun nachts unterwegs sind, zücken sie einfach ihr Handy, und drücken auf den "Knoop". Bedingung ist natürlich eine mobile Internetverbindung. "LTE ist hier noch nicht so gut ausgebaut. Aber je nachdem, was man für einen Mobilfunkanbieter hat, geht das eigentlich immer," so Melf Jensen. Der Knopfdruck benötigt keine großen Datenmengen. Die Anforderung zum Lichtanschalten wandert dann über das Internet zu einem angemieteten Zentralrechner in Frankfurt und von dort zurück in ein Stallgebäude in Löwenstedt. Denn hier hängt der Schaltkasten für sämtliche 107 Leuchten im Dorf.
Unscheinbare Technik
Simon Hansen hat den Schaltkasten nun mit seiner eigenen Technik erweitert: Eine Platine, kaum halb so groß wie ein Handy. Das Modul ist handelsübliche Industrieware. Die Kunst war, es zu programmieren. Die Platine empfängt die Signale über eine ganz normale WLAN-Verbindung aus dem Internet. Zudem musste Simon Hansen die Apps programmieren, die auf Android-Handys und iPhones laufen. Dahinter steckt auch ein durchdachtes Benutzerkonzept: Nur Bürger aus dem Ort dürfen die Lampen steuern. Verantwortliche in der Gemeinde schalten die einzelnen Benutzer frei oder können sie auch sperren, wenn sie Unfug damit treiben. Mehr als 200 Stunden Arbeit stecken inzwischen in dem Projekt.
Gemeinden können Stromkosten sparen
Bürgermeister Holger Jensen erlaubte Simon Hansen, die Tüftelei in Löwenstedt auszuprobieren. Er hofft, dass die Gemeinde künftig Stromkosten spart, indem sie die Lichter regulär schon etwas früher ausschaltet. Es geht in Löwenstedt um etwa 300 Euro pro Stunde und Jahr, hat Simon ausgerechnet - je nach Leistung der Leuchtmittel und Stromtarif der Gemeinde. Sein Heimatdorf bekommt die App im Moment kostenlos. Andere Gemeinden sollen künftig so viel zahlen, dass sich die Installation schon bei etwa einer Stunde Abschaltung pro Tag rentiert, selbst wenn wie in Löwenstedt bereits energiesparende LEDs installiert sind. Bei herkömmlichen Leuchten wird noch mehr Strom gespart. Allerdings vertragen einige Typen das ständige An- und Ausschalten nicht so gut, räumt Simon ein.
Das Ziel: Weniger Straßenlicht, dafür aber nach Bedarf
Trotzdem ist das Interesse groß. Mehrere Gemeinden in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland haben bereits angefragt. Simon Hansen hofft, dass sich der Knoop zu einem festen Standbein für die junge Software-Firma entwickelt und überlegt bereits, weitere Kollegen dafür einzustellen. Inzwischen kennt er sich auch mit dem globalen Thema Lichtverschmutzung aus. "Es ist erschreckend, dass an vielen Orten nachts nicht mehr die Milchstraße zu erkennen ist," findet er. Somit könnte ein Programmierer aus Löwenstedt das Thema Straßenbeleuchtung revolutionieren, der eigentlich nur seine Wohnzimmerlampe anschalten wollte.