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Wie ein Schwamm: Naturiertes Treenetal schützt vor Hochwasser

von Peer-Axel Kroeske

13.07.2023 (archivierter Text)
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Der Kreis Schleswig-Flensburg ist bundesweiter Vorreiter beim Schutz vor den Folgen des Klimawandels. Das zeigt sich zum Beispiel an der Treene.

Bei Langstedt (Kreis Schleswig-Flensburg) ist die Treene noch ein kleiner Fluss, gerade mal breit genug für Kanuten. Nur zehn Meter über dem Meeresspiegel, aber noch mehr als 60 Flusskilometer von der Nordsee entfernt mäandert sie durch ein idyllisches Tal. Schilf wächst empor. Ein Band mit sattem Grün und einzelnen Tümpeln zieht sich trotz der Dürre im Juni durch das Tal.

Nur feuchte Böden eignen sich als Wasserspeicher

Doch bis vor fünf Jahren sah es hier noch anders aus, erzählt Thorsten Roos, der Leiter des Fachbereichs Umwelt im Kreis Schleswig-Flensburg. Unterirdische Rohre entzogen dem Grünland die Feuchtigkeit - mit einer fatalen Folge: "Das kennt man zu Hause: Wenn man eine längere Zeit seine Blumentöpfe nicht gegossen hat, dass dann der Torf vertrocknet ist. Und dann hat er seine Speicherfähigkeit für alle Zeit verloren. Deshalb muss Torf immer feucht gehalten werden."

Hochwasserschutz und Artenschutz in Kombination

Die Rohre wurden nun entfernt, Entwässerungsgräben verfüllt. Jetzt soll sich das Moor wieder aufbauen, so dass die Böden bei Regen mehr Wasser aufnehmen können. Entscheidend sind dabei die Sommermonate. Der Untergrund gewinnt die Eigenschaften eines Schwamms. Es mag paradox klingen, aber feuchte Böden können mehr Wasser aufnehmen als trockene. Roos betont dabei: "Feucht ist nicht nass." Positiver Nebeneffekt: Das Biotop bietet vielen seltenen Arten einen Lebensraum.

Schleswig-Holsteins Westküste wird zur Badewanne

Hochwasserschutz ist an der Treene ein Thema. Kräftiger Westwind über mehrere Tage im Herbst oder Winter führt dazu, dass das Eidersperrwerk aufgrund des hohen Pegels der Nordsee auch bei Ebbe geschlossen bleibt. Das Wasser von Eider und Treene staut sich dann zurück. Wenn es dann auch noch anhaltend regnet, steht das Wasser bis zur Kante des kleinen Flussdeichs. Ortschaften wie Hollingstedt drohten in den vergangenen Jahren mehrfach zu überfluten. Es war kurz davor.

"Wir brauchen ganz viele Langstedts"

Roos ist überzeugt: Es braucht nicht den einen teuren, hohen Deich, sondern viele kleinere Projekte, um Hochwasserereignisse auf natürliche Weise zu regulieren. Auch das Hochwasser in Gelting 2011 hätte weniger Schaden angerichtet, wenn im Umfeld mehr renaturierte Flächen das Wasser aufgesogen hätten, meint der Fachbereichsleiter. Dort wurde inzwischen ein Polder gebaut. Fünf Kilometer treeneabwärts mündet die Jübek - sie heißt wie das Dorf - in die Treene. Hier wurde der alte, kurvenreiche Flusslauf wieder hergestellt, um die Fließgeschwindigkeit zu reduzieren.

Landwirte melden sich von selbst

Die Herausforderung ist allerdings weniger, solche Projekte umzusetzen. Viel schwieriger ist es, an die benötigten Flächen zu kommen. "Wir putzen keine Klinken", stellt Roos heraus. Stattdessen setzt er darauf, dass sich bei den Landwirten das Interesse der Kreisbehörde an solchen Flächen herumspricht, für die er auch bereit ist, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, so Roos: "Wir arbeiten ja gegen den ungebrochenen Trend an, dass immer mehr Flächen entwässert werden." Immerhin: Mit vier Vollzeitstellen für die Anpassung an die Klimafolgen ist der Kreis Schleswig-Flensburg im bundesweiten Vergleich besonders gut aufgestellt.

Küstenschutz im Hinterland an der Ostsee

Der steigende Meeresspiegel hat an den Küsten ganz direkte Auswirkungen. An Flensburger Förde, offener Ostsee und Schlei verfügt der Kreis Schleswig-Flensburg über mehr als 100 Kilometer Uferlinie. Darunter sind auch einige Steilküsten. Ein Deich an vorderster Linie wäre ein extremer Eingriff. Hier wirbt Roos dafür, die natürliche Welligkeit im Hinterland in Kombination mit Bauwerken für den Küstenschutz zu kombinieren, auch wenn landwirtschaftliche Flächen zeitweise überspült werden könnten. Dazu will er mit den Wasser- und Bodenverbänden ins Gespräch kommen. Landeigentümer könnten im Tausch andere Flächen bekommen. Doch diese Ideen sind erst am Anfang.

Ist Schleimünde zu halten?

Ein Sonderfall ist allerdings das naturgeschützte Vogelschutzgebiet Oehe-Schleimünde mit der Lotseninsel. Sie schützt die 40 Kilometer lange Schlei von Maasholm über Kappeln bis Schleswig vor extremen Hochwassern, wurde aber in den vergangenen Jahren immer wieder überspült. Bisher verbieten EU-Regeln einen Eingriff, stellt Roos klar. Die Idee, eine Art Sperrwerk zu errichten, hält er zwar für unrealistisch. In einigen Jahren werde man aber möglicherweise darum ringen, den jetzigen Zustand zu stabilisieren.


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