Wer war die reiche Dame aus Grab 318?
von Peer-Axel Kroeske
31.05.2017 (archivierter Text)
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In der Wikingerstätte Haithabu haben Archäologen einen spektakulären Fund gemacht: Bei einer neuen Ausgrabung fanden sie Anhänger eines filigranen Colliers aus Gold - und weitere Hinweise.
Die Dame aus Grab 318 muss sehr wohlhabend gewesen sein. Denn Goldfunde wurden bisher nur selten in Haithabu zu Tage befördert. Die Archäologen gehen davon aus, dass es damals etwa den zehnfachen Wert von Silber hatte - der Universalwährung der Wikingerzeit. Gelebt hat die Frau vermutlich im zehnten Jahrhundert. Bestattet wurde sie in Ost-West-Richtung - das deutet darauf hin, dass sie bereits christianisiert war. Anhänger des heidnischen Glaubens liegen von Nord nach Süd, weiß Grabungsleiter Sven Kalmring.
Sargnägel bedecken den Boden
Seit zwei Monaten trägt er zusammen mit einem internationalen Team Schicht für Schicht auf einer Wiese oberhalb der nachgebauten Wikingerhäuser in Haithabu ab. Besucher können das live mitverfolgen: Weil das Wikingermuseum in diesem Jahr aufwendig saniert wird und geschlossen bleibt, dient die Open-Air-Ausgrabung in einem großen Zelt als Ersatz.
Das Team hat bereits eine 30 mal 15 Meter große Fläche freigelegt. Inzwischen sind die Forscher unterhalb des Pflughorizonts angelangt. "Bis in die Achtziger Jahre ist also bis 40 Zentimeter alles einmal durchwühlt worden. Und jetzt kommen wir in eine Tiefe, in der die Archäologie ungestört am Platze liegt. Wir sehen flächig die Sargnägel bereits aus dem Boden gucken," beschreibt Kalmring die Arbeiten. Auch Knochenreste sind noch erhalten. Über den Boden verstreut sind zahlreiche Markierungen. Wo einst Holz lag, hat sich die Erdschicht leicht verfärbt.
Ausgrabungen unter dem Hakenkreuz
Weniger sorgfältig gingen Forscher in der Nazi-Zeit vor. "Zwei Drittel der Gräber haben die Kollegen damals verpasst," stellt Kalmring fest. Zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Ausgrabung überstürzt abgebrochen worden. Damals hatten die Archäologen bereits ein Schwert im Nachbargrab sowie einen der Goldanhänger gefunden. "Dass wir nun ein Collier rekonstruieren können mit vier weiteren Goldperlen und zwei weiteren Filigrananhängern mit Amnethyst und Bergkristall - damit haben wir nie gerechnet," freut sich der Direktor des Archäologischen Landesmuseums Claus von Carnap-Bornheim. Das Gold könnte aus Münzen stammen, vielleicht aus Byzanz. Beim Bergkristall vermutet Kalmring eine Herkunft aus den Alpen oder dem Kaukasus. Beides unterstreicht die regen Handelsbeziehungen der Wikingerstadt. Gefertigt wurde der Schmuck wahrscheinlich vor Ort. Auch heute bräuchte ein Goldschmied dafür sicherlich noch länger als eine Woche.
Fleisch oder Grützbrei?
Das Gold sorgt für Aufsehen. Mindestens genauso spannend finden die Forscher aber, mehr über die Menschen zu erfahren, die damals in Haithabu lebten. Erbgut und Bodenproben könnten Aufschluss darüber geben, woher die reiche Frau aus Grab 318 kam und wovon sie sich ernährte. Kalmring bringt es auf den Punkt: "Fleisch oder Grützbrei?" Über die einstige Besitzerin des Goldschmucks ist bislang nichts bekannt. "Eine schriftliche Überlieferung zu ihr gibt es nicht", sagt Der leitende Direktor der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Claus von Carnap-Bornheim. Nur eines ist aufgrund des Schmucks für ihn klar: Es muss sich um eine sehr reiche Wikingerin mit großem Einfluss gehandelt haben.
Erst 1.350 von bis zu 12.000 Gräbern wurden in Haithabu bisher untersucht. Unter der Erde lagert wahrscheinlich noch manche neue Erkenntnis. Die Schmuckstücke landen vorerst in einem der Tresore auf Schloss Gottorf. Frühestens im kommenden Jahr bereichern sie die Ausstellung. Dann soll auch die Sanierung des Wikingermuseums abgeschlossen sein.