Von Afghanistan nach Busdorf: Die Yosofis
von Peer-Axel Kroeske
18.09.2020 (archivierter Text)
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Die Suche nach Arbeit wird für Geflüchtete mit geringen Sprachkenntnissen zur Geduldsprobe. Eine afghanische Familie in Busdorf bei Schleswig lässt sich nicht entmutigen.
Die Yosofis haben Glück gehabt. In Busdorf bei Schleswig bewohnt die afghanische Familie ein alleinstehendes Haus in einem Wohngebiet: Vater Arif, Mutter Spoj May, die achtjährige Tochter Zinad und die pflegebedürftige Großmutter im Obergeschoss. Mit dem Geld vom Jobcenter könnten sie sich das normalerweise nicht leisten. Der Vermieter nimmt aber nur so viel Geld, wie die Familie bezahlen kann. Es ist alles sauber, der Garten gepflegt und am Eingang wartet eine Überraschung.
Daniel Günther auf dem Flur
Auf einem Regal stehen zwei gerahmte Selfies von Spoj May und Arif Yosofi zusammen mit Daniel Günther. Auf dem Wikingermarkt hatte die 40-Jährige ihn spontan angesprochen. Erkannt hatte sie den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten nur, weil dieser gerade Thema im Integrationskurs war. Und den hatte sie 2018 gerade begonnen.
Ein Punkt fehlte für "B1"
Drei Jahre hatte sie mit ihrem Mann auf den Kurs warten müssen. Afghanen waren lange Zeit davon ausgeschlossen, weil sie offiziell keine "gute Bleibeperspektive" hatten. Bis dahin lernten beide nur brüchiges Deutsch. Spoj May konnte anschließend nicht das Niveau erreichen, in dem vollständige Sätze und einfache Begründungen erwartet werden. "Schade, ich nicht geschafft B1 Kurs" sagt sie in diesen Worten. Ein Punkt fehlte. Sie bemüht sich, hat den Mut, Deutsch zu sprechen. Und doch wird deutlich, dass ihr oft noch die Vokabeln fehlen.
Keine Schule für Mädchen im afghanischen Dorf
Bei der Prüfung war sie aufgeregt. "Weil ich nicht war in Afghanistan in der Schule - ich viel Angst. Alles vergessen", erzählt sie. Sie berichtet auch davon, dass ihr bereits vor der Flucht verstorbener Vater die lateinische und afghanische Schrift in der Sprache Dari beigebracht habe. Zur Schule habe sie in ihrem Dorf als Mädchen aber nicht gehen können, obwohl die Eltern sie gerne geschickt hätten. Doch das sei aufgrund der Taliban nicht möglich gewesen.
Nähen, um Deutsch zu üben
Seit vier Wochen verrichtet sie regelmäßig bei der AWO ehrenamtlich Näh- und Schneiderarbeiten. Dafür bekommt sie kein Geld. Aber zumindest bleibt sie so in Kontakt mit Deutschen und kann ihr Deutsch dabei etwas verbessern. Ihr Ehemann Arif hat drei Praktika hinter sich: bei der Diako, beim DRK und einer weiteren Firma in der Altenpflege. "Ich habe in Deutschland ein Problem: Das Sozialgeld. Mein Hobby ist Arbeit. Ich will Steuern bezahlen!", beteuert er immer wieder. Nach etlichen Bewerbungen fiebert er jetzt auf ein Vorstellungsgespräch hin.
Keine Arbeit trotz Studium und Russischkenntnissen
Dabei begann sein Berufsweg vielversprechend. In Odessa, in der damaligen Sowjetunion und heutigen Ukraine, studierte er Lebensmitteltechnik. Damit kann er aber hier nichts anfangen - zu lange her, andere Inhalte, meint er. Auch seine guten Russischkenntnisse helfen ihm wenig. In Afghanistan arbeitete er zuletzt im Sicherheitsdienst für eine US-amerikanische Universität. Die Taliban hätten ihn und seine Familie deshalb aber bedroht, sagt er. Seine Frau sei zu Hause überfallen worden. Tochter Zinad war damals ein Kleinkind.
Für 52.000 Dollar nach Europa
Die Flucht war abenteuerlich und teuer: 52.000 Dollar zahlte die Familie nach eigenen Angaben an Schleuser, um mit gefälschten Pässen einen Flug über Dubai nach Europa zu bekommen. Wo genau sie landeten, können oder wollen die Yosofis nicht sagen. Im Lkw ging es weiter nach Deutschland. Ein Jahr später konnte Spoj May ihre pflegebedürftige Mutter nachholen.
Hoffnungen liegen auf der Tochter
Bis auf das Problem mit der Arbeitssuche ist Arif aber zufrieden. In Deutschland ist die Familie in Sicherheit. Das Mädchen Zinad erzählt, sie habe viele Freunde und gehe gerne zur Schule. "Danach weiter, weiter machen. Das ist ganz wichtig", betont die Mutter. Und sie fühlt sich hier gut aufgehoben, denn "die deutsche Menschen - ganz freundliche Menschen."