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Stadtwerke in Flensburg und Kiel - Was kommt nach dem Gas?

von Peer-Axel Kroeske

02.06.2021 (archivierter Text)
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Eine halbe Milliarde Euro haben die Stadtwerke in Flensburg und Kiel in ihre neuen Gaskraftwerke investiert. Aber ist es die richtige Entscheidung, angesichts der Klimakrise auf Erdgas zu setzen?

Effizienter lässt sich Gas kaum nutzen: Die Turbinen produzieren Strom. Die Abwärme heizt die Fernwärmenetze. Die Gas- und Dampfturbinenanlage in Flensburg erntete wie das Küstenkraftwerk in Kiel anfangs viel Zustimmung. Gas ersetzt Kohle. Damit verringern sich die Emissionen des Treibhausgases CO2 nach Unternehmensangaben in Flensburg um 40 Prozent, in Kiel sogar um 70 Prozent. Doch in Flensburg streut jetzt die Initiative "Klimabegehren" Salz in die Suppe. "Wir fordern, dass die Energie aus erneuerbaren Energien bezogen wird: Wind und Solar, dazu Geothermie, grüner Wasserstoff. Das wird auch Geld kosten. Aber das wird letztendlich viel rentabler sein, als auf die Klimakrise zuzusteuern," sagt Initiativen-Sprecherin Clara Tempel.

Initiative fordert Erdgas-Ausstieg bis 2035

Um Kettenreaktionen beim Klimawandel zu vermeiden, darf nach Ansicht des Weltklimarates nur noch eine schwindende Menge an Treibhausgasen in die Luft geraten. Die Initiative will deshalb mit einem Bürgerbegehren erreichen, dass Flensburger Stadtwerke schon bis 2035 "fossilfrei" werden. Rund 5.000 Unterschriften sind nötig, damit es zum Bürgerentscheid kommt.

Gefahr der Investitionsruinen

Als der Bau der Anlagen beschlossen wurde, hatten beide Stadtwerke allerdings anders kalkuliert. Die Investition ist in Kiel auf 25 Jahre ausgelegt, in Flensburg laut Sprecher Peer Holdensen auf einen ähnlichen Zeitraum. Er stellt fest: "Die Anlagen müssen eine gewisse Zeit laufen. Sie sind kreditfinanziert und müssen abgeschrieben werden." Und er betont: "Das wird sich auf die Energiepreise auswirken. Das heißt: Man muss mit dem nötigen Fingerspitzengefühl herangehen."

Hoffnung auf grünes Gas

Die Kessel ließen sich auch klimaneutral mit Methan oder beigemengtem Wasserstoff betreiben, der mit Wind- und Sonnenenergie hergestellt wird. Ob und wann die benötigten Mengen bereit stehen, ist offen. Die Produktion gilt als teuer und verlustreich. Die Stadtwerke in Kiel haben deshalb ein anderes Ziel im Auge: Sie überlegen, große Meerwasser-Wärmepumpen in das System zu integrieren.

Die Wärmeenergie der Kieler Förde nutzen

"Wir haben den großen Thermalspeicher der Ostsee vor der Tür. Den kann man natürlich gut als Umweltwärme in einer Großwärmepumpe nutzen," sagt Technik-Vorstand Jörg Teupen. Große Meerwasser-Wärmepumpen laufen schon seit Jahrzehnten in Schweden. Sie benötigen Strom und produzieren damit ein Vielfaches an Wärmeenergie. Das lohnt sich vor allem bei günstigen Strompreisen, wenn genügend Windstrom im Netz ist. "Wenn hier von der Bundesregierung die richtigen Parameter eingestellt werden, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir dieses Projekt weiter vorantreiben - mit dem Ziel, 2026 hier eine Großwärmepumpe stehen zu haben," glaubt Teupen.

Wärmepumpe bei frischer Brise, Gas bei Dunkelflaute

Er fährt aber zweigleisig: Bei Dunkelflauten und entsprechend hohen Börsenstrompreisen will Teupen eher die Gaskessel befeuern. Müllverbrennung und Wärmespeicher ergänzen in Kiel die Wärmeversorgung. In Flensburg arbeiten die Stadtwerke gerade an einer Strategie, wie sie mit der Situation umgehen. "Es ist schwer zu sagen, in welcher Form die Anlagen weiterlaufen. Als sie gebaut wurden, waren die CO2-Zertifikate noch nicht auf diesem Niveau. Unterm Strich werden wir die Anlagen schon noch einige Jahre betreiben," sagt Sprecher Holdensen.

Hoher CO2-Preis nützt den Stadtwerken bisher

Bisher haben sich die Gaskraftwerke allerdings von den gestiegenen Abgaben von mittlerweile 50 Euro pro Tonne CO2 im europäischen Handel profitiert. Mit ihm ist auch der Börsenstrompreis gestiegen, da fossile Energien noch immer einen hohen Anteil haben. Erneuerbare Energien sind inzwischen günstiger, stehen aber noch nicht ausreichend bereit. Die Gaskraftwerke in Flensburg und Kiel liefen zuletzt fast ohne Pause. Geplant war das nur für die Hälfte der Zeit. Der verringerte CO2-Ausstoß zahlt sich im Moment aus. "Wir fürchten auch keinen CO2-Preis von 100 Euro," meint Technik-Vorstand Teupen.

Stichwort CO2-Zertifikate: Die EU hatte im Jahr 2005 einen Emissionshandel eingeführt. Für ihren CO2-Ausstoß mussten die stromintensiven Industrie- und Energieunternehmen Emissionsrechte erwerben. Dadurch sollte ein Anreiz geschaffen werden, weniger CO2 zu emittieren.


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