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Flensburg auf dem Weg zum Kohleausstieg

von Peer-Axel Kroeske

09.11.2018 (archivierter Text)
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Die Flensburger Stadtwerke wollen ein zweites Gaskraftwerk bauen - für die Umwelt ein Gewinn. Allerdings kostet es viel Geld. Und es fallen mittelfristig 100 Stellen weg.

Berge von Steinkohle stapeln sich auf dem Gelände der Flensburger Stadtwerke. Sie landet voraussichtlich noch in diesem Winter in den Kesseln, um daraus Strom und Fernwärme zu erzeugen. Noch vor drei Jahren verfeuerte das Unternehmen ausschließlich Kohle. Seit der Inbetriebnahme einer Gas- und Dampfturbine ist der Anteil auf etwa 70 Prozent gesunken. Von 2023 an soll die Kohle nur noch 20 Prozent ausmachen. Dafür soll auf dem Gelände der Flensburger Stadtwerke bis Ende 2022 ein neues Gaskraftwerk in Betrieb gehen, das zwei Kohlekessel ersetzt.

Eigentlich war dieser Schritt erst einige Jahre später vorgesehen. Doch die Aussicht auf Fördergelder sowie der Wille, ökologisch voranzukommen, sorgen nun für eine vorgezogene Investition von 70 Millionen Euro in Flensburg.

Harte Verhandlungen um Millionen

63 Millionen Euro stehen davon nach Angaben des Unternehmens als Zuschuss vom Bund in Aussicht, wenn die Anlage bis Ende 2022 am Netz ist. Um diesen Termin zu halten, müssen die Planungen jetzt beginnen, heißt es von den Stadtwerken. Drei Monate lang wurde im Aufsichtsrat kontrovers über das Projekt diskutiert, wie dessen Vorsitzender Rolf Helgert (SPD) berichtet. "Wir sollen die Stadtwerke wirtschaftlich nicht überfordern," betont er. Denn die Zuschüsse fließen erst in den Jahren nach der Inbetriebnahme. Vorher muss sich das stadteigene Unternehmen hoch verschulden.

Dabei sind die Stadtwerke bereits mit dem Glasfaserausbau stark belastet. Auch das erste Gaskraftwerk ist noch nicht abbezahlt. Die Investitionen summieren sich inzwischen auf 300 Millionen Euro. Mittelfristig wollen die Stadtwerke dabei auch 100 Stellen abbauen, weil Gaskraftwerke als wartungsarm gelten. Deshalb werden weniger Mitarbeiter benötigt. Der Abbau soll über zwölf Jahre ohne Kündigungen erfolgen.

Ziel: Bis 2050 "CO2-neutral"

Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) sagte, die Stadt könne sich trotz der eigenen angespannten Finanzlage mit bis zu 20 Millionen Euro beteiligen. Ob diese Summe tatsächlich abgerufen wird, steht aber noch nicht fest. Die Finanzierung muss erst noch mit den Banken geklärt werden. Dass die Ratsversammlung einstimmig hinter dem Projekt steht, gilt aber als positives Signal. Lange bekräftigte: "Alle reden vom Kohleausstieg. Wir machen ihn. Ich bin sehr zufrieden und trage die Entscheidung mit, früher schrittweise aus der Kohle auszusteigen." Die Stadt hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2050 "CO2-neutral" zu sein.

Erdgas: Besser als Kohle, dennoch ein fossiler Brennstoff

Für den Einsatz von Gas spricht aus Sicht von Geschäftsführer Render der hohe Wirkungsgrad. Bei Braunkohle liege dieser nur bei 35 Prozent, etwas höher bei Steinkohle. Bei Gas seien es etwa 60 Prozent bei der Stromerzeugung. Noch besser wird es mit der Kraft-Wärme-Kopplung: Wenn die Abwärme genutzt wird, soll sich der Wirkungsgrad sogar auf 94 Prozent steigern. Das könnte in Flensburg möglich sein: Fast sämtliche Haushalte sind an das Fernwärmenetz angeschlossen, das bis nach Harrislee und Glücksburg reicht. Die Folge der Umstellung: Die Flensburger Stadtwerke blasen künftig deutlich weniger von klimaschädlichen Gas CO2 in die Luft. Eingespart werde jedes Jahr die doppelte Menge des gesamten Autoverkehrs in Flensburg, rechnete der Stadtwerke-Chef vor. Dennoch bleibt Erdgas ein fossiler Energieträger mit einer deutlich schlechteren Umweltbilanz als Wind und Sonne.

Gute Ergänzung zu Wind und Sonne

Gaskraftwerke gelten zumindest als kompatibel zur Energiewende. Sie können im Gegensatz zu Kohle- oder Atomkraftwerken innerhalb weniger Minuten hoch- und runtergefahren werden. Damit ließen sich Schwankungen bei den erneuerbaren Energien ausgleichen. Langfristig könnte das Gasnetz sogar zum großen Energiespeicher werden: Mit überschüssigem Wind- und Sonnenstrom ist es bereits jetzt in kleinem Maßstab möglich, synthetisches Gas herzustellen. Dieses ließe sich dann bei Flaute und Dunkelheit wieder in Strom wandeln. Die "Power-To-Gas"-Technik steckt aber noch in den Anfängen.

Schon jetzt reagieren die Flensburger Stadtwerke mit ihrem bestehenden Gaskraftwerk auf den stündlich schwankenden Börsenpreis für den Strom. Derzeit ist die Anlage täglich von etwa 6 bis 19 Uhr in Betrieb, wenn die Preise am höchsten sind. Die elektrische Leistung liegt aktuell bei 75 Megawatt. Das entspricht etwa Flensburger Energiebedarf. 55 Megawatt sollen mit der neuen Anlage hinzu kommen.

Gaskraftwerke wieder in Mode

Das eingesparte CO2 macht sich auch in Euro und Cent bezahlt. Im vergangenen Jahr haben sich die Preise für die Emissions-Zertifikate vervierfacht, also die Erlaubnis, CO2 in die Luft abzugeben. Hintergrund sind neue EU-Regularien. Allerdings stiegen auch die Gaspreise. Auf die Frage, ob die Stadtwerke mit dem Gaskraftwerk nicht ein Risiko eingehen, meint Render: "Die Kohle ist am Weltmarkt genauso ein Risiko wie das Erdgas. Und da können wir auch guten Gewissens sagen: Ja, es wird nicht schlechter als mit Kohle." Die Kunden sollen nach seinen Worten keinen Nachteil haben.

Auch Kiel setzt auf Gas, Hamburg auf Kohle

Vor einigen Jahren standen selbst moderne Gaskraftwerke wegen der Marktlage häufig still. Inzwischen kehrt sich der Trend, nicht nur in Flensburg. Die Kieler Stadtwerke besiegeln ihren Kohleausstieg voraussichtlich im kommenden Frühjahr. Dann soll das neue "Küstenkraftwerk" in Betrieb gehen. Der Bau hat sich mehrfach verzögert.

Hamburg setzt mit dem Bau eines großen Kraftwerks in Moorburg dagegen auf die Kohle. Allerdings ist im Gespräch, im Stadtteil Waltershof ein neues Gaskraftwerk zu bauen, dass dann auch als Ersatz für das marode Kohlekraftwerk in Wedel dienen könnte. Bundesweit haben die Planungen für den Bau mehrerer großer Gaskraftwerke begonnen, unter anderem im Ruhrgebiet sowie in Berlin. Und auch kleinere Blockheizkraftwerke in vielen Schleswig-Holsteinischen Gemeinden arbeiten mit Gas.


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