Mühsamer Neustart für die Flensburger Werft
von Peer-Axel Kroeske
01.09.2020 (archivierter Text)
ZUM VOLLSTÄNDIGEN ARTIKEL (archive.org)
Die FSG startet nach der Insolvenz ohne Schulden aber auch ohne Aufträge
Es gehe nur noch um letzte Details, bis die Aufträge für zwei RoRo-Fähren unterzeichnet sind. Das hat am Dienstag der neue Geschäftsführer der FSG, Stefan Kindler, versichert. Er selbst gibt offen zu, von Schifffahrt nur wenig zu verstehen. Einmal mehr ist ein Mann des Übergangs bei der Flensburger Werft am Ruder. Kindler kommt von der Tennor-Holding von Risikoinvestor Lars Windhorst. Dieser hatte Ende August angekündigt, die FSG nach der Insolvenz ein zweites Mal zu übernehmen. Das ist mit Stichtag 1.9. geschehen. Doch die verbleibenden 350 Mitarbeiter haben fast nichts zu tun. Der von Windhorst ebenfalls versprochene Auftrag für die beiden Frachtfähren lässt auf sich warten.
Großfähre "Honfleur" soll Flensburg verlassen
Das liegt auch daran, dass die große Passagierfähre "Honfleur" nicht weiter in Flensburg gebaut wird. "Sie wird jetzt für den Abtransport vorbereitet", sagt der bisherige Geschäftsführer Martin Hammer. Wohin die Reise geht, ist aber auch ihm ein Rätsel. Durch Verzögerungen beim vorherigen Bau lag auch die "Honfleur" immer weiter hinter dem Zeitplan zurück, zuletzt um mehr als zwei Jahre. Nachdem die FSG im April Insolvenz anmeldete, stornierte der französische Auftraggeber seine Bestellung. Nach einem Vergleich soll das Schiff nun in das Eigentum des Unternehmens Siem übergehen. Das aus Norwegen geführte Unternehmen war bis 2019 Eigentümer der FSG und hatte den Bau der "Honfleur" finanziert.
Betriebsrat sauer - Verschrottung nicht ausgeschlossen
Äußerst verärgert über die Absage aus Oslo zeigt sich Betriebsrat Thomas Jansen. Zwar seien zuletzt vor allem Fremdfirmen mit der Ausstattung beschäftigt gewesen. Dennoch waren nach seinen Angaben auch etwa 80 FSG-Mitarbeiter eingebunden. Ein Weiterbau ohne Abnehmer gilt jedoch als problematisch. Auch eine Verschrottung halten Branchenexperten für nicht ausgeschlossen. Auch der bisherige FSG-Geschäftsführer Martin Hammer wird deutlich: "Wenn das Unternehmen Siem meint, es kann im Kongo das Schiff günstiger zu Ende bauen, dann ist das so." Er gibt zu bedenken, dass die Siem-Gesellschaften aufgrund der allgemeinen Schifffahrtskrise derzeit finanziell unter Druck seien.
Kurzarbeit trotz fehlender Perspektive?
Nur 40 Kollegen haben laut FSG-Leitung aktuell zu tun. Für alle anderen ist laut Kindler Kurzarbeit beantragt. Betriebsrat Jansen gibt zu bedenken, dass die staatliche Unterstützung für die Löhne nur fließt, wenn ein Unternehmen eine wirtschaftliche Perspektive vorweisen könne. Diese sei ohne Aufträge aber nicht gegeben.
Verhandlungen über neue Aufträge
Geschäftsführer Kindler betont, es werde über weitere Neubauten verhandelt. Er nennt die australische Reederei Searoad, die bereits Kunde der FSG war. Solch ein Auftrag könne bei Bedarf auch vorgezogen werden. Auch militärische Tankschiffe seien weiterhin eine Option. Die Marine hat eine Anfrage von NDR Schleswig-Holstein dazu allerdings seit zwei Wochen nicht beantwortet.
Ehemalige Schweißer finden neue Jobs
In einem Block gleich gegenüber vom FSG-Verwaltungsgebäude werden unterdessen 230 Kollegen fortgebildet, die zum August in die Transfergesellschaft gewechselt sind. "Diese Leute haben den Rücken der Werft gestärkt. Hätten sie das nicht gemacht, wäre die Werft zum 1.9. nicht mehr da. Sie wäre abgewickelt worden", betont einer der Betroffenen dort. Die Facharbeiter haben durchaus eine Perspektive. Michael Schmidt von der IG Metall berichtet, ein dänischer Betrieb im 30 Kilometer entfernten Rødekro (Rothenkrug) habe 50 Schweißer angefordert. Es gebe auch Angebote in Kiel.
Kompetenz wandert ab
Einerseits freut das Betriebsrat Jansen. Andererseits sorgt ihn, dass Kompetenz abwandert: "Ich möchte, dass viele Kollegen zurückgeholt werden. Irgendwann sind die weg." Aus seiner Sicht ist mit der halbierten Belegschaft kein vollwertiger Werftbetrieb mehr möglich.