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Eine Chronik: Die wechselvolle Geschichte der FSG

von Peer-Axel Kroeske

02.07.2022 (archivierter Text)
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Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft existiert seit 150 Jahren. Immer wieder gibt es Höhen und Tiefen in der Firmengeschichte. NDR.de bietet einen Überblick.

1872 - 2008: Dampfer, Fracht- und Militärschiffe

1872 wird die FSG gegründet. Bis zum Jahr 2000 werden in Flensburg 700 Schiffe gebaut - alle zwei Monate läuft durchschnittlich ein Bau vom Stapel. Höhen und Tiefen gibt es immer wieder. So wird infolge der Wirtschaftskrise 1929 der Betrieb eingestellt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg meldet die FSG mehrfach Insolvenz an. Dennoch geht es immer wieder weiter.

2008 - 2014: FSG in der Hand von Private Equity

Zu Beginn des neuen Jahrtausends läuft der Betrieb in Flensburg im Vergleich zu anderen Werften relativ gut. Die FSG hat mit den selbst entwickelten RoRo-Fähren für den Lkw-Transport eine erfolgreiche Nische gefunden. Die Werft ist meist mehrere Jahre im Voraus mit Aufträgen ausgelastet. Die Übernahme des Unternehmens durch das Private Equity-Unternehmen Orlando im Jahr 2008 stellt dann aber aus Sicht vieler Mitarbeiter eine Zäsur dar, da Orlando Geld aus dem Unternehmen abgezogen habe. Treibende Kraft ist Geschäftsführer Peter Sierk, der selbst zum Investor wird. Zunächst erlebt die Werft noch mehrere hochproduktive Jahre. Zuletzt reißt die Auftragsserie der RoRo-Fähren aber ab. Als ein Grund gilt die starke, subventionierte Konkurrenz in Fernost.

2014 - 2016: Siem übernimmt das Ruder

Plötzlich sind keine RoRo-Aufträge mehr da. Hinter den Kulissen stehen die Zeichen auf "Krise". Durch den Spezialschiffbau gelangt die FSG aber auf das Radar des norwegisch geführten Unternehmens Siem, das international in der Ölförderung tätig ist. Siem übernimmt die FSG und stellt damit auch sicher, dass zwei selbst bestellte Offshore-Schiffe fertig gestellt werden können. Anschließend hält Siem den Betrieb durch die Bestellung von RoRo-Fähren am Laufen.

2016 - 2019: Die FSG verhebt sich am Bau der Großfähren

Die Hoffnungen auf weitere Aufträge im Offshore-Segment haben sich zerschlagen. Stattdessen setzt die FSG nun auf den Bau riesiger Passagierfähren, die nur noch knapp in die 1982 gebaute Halle passen. Zwar zeichnet sich ab, dass die Premiere mit der "W.B.Yeats" ein finanzielles Fiasko wird. Dennoch glaubt Geschäftsführer Rüdiger Fuchs, dass die FSG nach der steilen Lernkurve künftige Aufträge günstiger bauen kann. Dabei fehlen der Werft Ingenieure. Die zweite große Passagierfähre "Honfleur" gilt mit LNG-Flüssiggas-Antrieb als noch komplizierter als die W.B. Yeats.

2019 - 2020: Siem steigt aus, Windhorst ein

Siem will die FSG loswerden, nachdem im Jahr 2018 ein Verlust von 111 Millionen Euro im Geschäftsbericht ausgewiesen ist. Der Finanzinvestor Lars Windhorst übernimmt mit seiner Gesellschaft in zwei Schritten sämtliche Unternehmensanteile der FSG. Aus Fachkreisen heißt es, sein Engagement sei die Folge einer größeren geschäftlichen Kooperation mit Siem. Windhorst macht der Belegschaft Hoffnung, indem er sogar den Ausbau der Werft in Aussicht stellt. Immer mehr Mitarbeiter gehen jedoch in Kurzarbeit. Der Bau der "Honfleur" kommt nur langsam voran. Für etwas Betrieb sorgt der Bau der letzten beiden RoRo-Fähren. Als beide fertig sind, meldet die FSG Insolvenz an.

April 2020: Insolvenz angemeldet

Nachdem vier Aufträge für Großfähren storniert sind, steht die FSG ohne Aufträge da. Im Nachhinein stellt sich die Frage, wie konkurrenzfähig die Werft tatsächlich ist. Mit Ausnahme der verlustreichen Großfähre W.B.Yeats ist Ex-Eigentümer Siem seit 2016 der einzige Auftraggeber der FSG. Siem hat inzwischen acht RoRo-Frachtfähren bauen lassen und stellt zunächst vier weitere Aufträge in Aussicht. Zuletzt war nur noch von zwei RoRo-Fähren die Rede.

September 2020 - Dezember 2021: Neustart: FSG baut wieder RoRo-Fähren

Der neue Eigentümer der FSG ist der alte: die Tennor Holding von Lars Windhorst. Nach der Insolvenz ist die FSG jetzt frei von Verbindlichkeiten. Den Preis dafür zahlen die Gläubiger, deren Rechnungen nur zum Teil beglichen werden. Die Mitarbeiter stehen ohne Tarifbindung da, bekommen 15 Prozent weniger Lohn.

Die neue FSG mit der fast halbierten Zahl von nur noch 360 Mitarbeitern startet zunächst ohne Aufträge. Die Kollegen, die ausscheiden, landen in einer Transfergesellschaft. Die "Honfleur" verlässt Flensburg in Richtung Norwegen, wo sie an der Fosen Werft bei Trondheim bis Mai 2022 im Auftrag von Siem fertig gebaut wird. Ein Käufer ist aber weiterhin nicht gefunden.

Windhorst hatte zum Neustart den Bau von zwei RoRo-Fähren in Aussicht gestellt, bestellt von einer seiner Tennor-Gesellschaften. Die "Tennor Ocean" wird das erste Projekt der neuen FSG. Ein Jahr später bestellt die australische Reederei Searoad eine weitere RoRo-Fähre mit LNG-Antrieb.

Windhorst kauft unterdessen eine zweite Werft: Nobiskrug in Rendsburg, spezialisiert auf Luxusjachten. Beide Standorte werden zu einem gemeinsamen Unternehmen.

Sommer 2022: FSG wirbt um Marineaufträge

Im Juni 2022 ist die Stimmung in Flensburg wieder gut. Die "Tennor Ocean" läuft vom Stapel. Doch der neue Geschäftsführer Maracke will die FSG noch breiter aufstellen. Erklärtes Ziel ist es, Marineaufträge zu bekommen. Die FSG klagt 2021 gegen den Bund, weil sie die beim Bau zweier Tanker nicht berücksichtigt wurde, zieht die Klage aber dann zurück. Hinter den Kulissen kommt es offenbar zu einem Deal. Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein könnte die FSG ab Ende 2023 von Unteraufträgen profitieren.

Eine weitere Chance bieten klimaschonende Antriebsarten. Grüner Wasserstoff, Ammoniak und Methanol könnten die Schifffahrt dekarbonisieren. Hierfür wirbt Robert Habeck (Grüne) vor der Bundestagswahl, der erfolgreich als Flensburger Direktkandidat antritt. Laut Geschäftsführer Maracke arbeiten die Entwickler auf Hochtouren, auch in Zusammenarbeit mit den Hochschulen. Beim Ammoniak stehe die Marktreife kurz bevor, so dass vielleicht schon 2025 ein Schiff mit alternativem Antrieb vom Stapel laufen könne.

Winter 2022

Ende 2022 wird eine Schweizer Holding Muttergesellschaft der Werften in Flensburg und Rendsburg. Statt erst Geld zu erhalten, wenn die Schiffe fertig sind, sollen die Werften jetzt etappenweise während des Baus bezahlt werden. Die FSG Nobiskrug Holding GmbH wird dabei weiterhin zur Tennor Gruppe von Lars Windhorst gehören. Aber innerhalb des Firmengeflechtes verändert sich die Struktur.

Laut FSG-Geschäftsführer Philipp Maracke hatte sich die Werft zwei Jahre lang um das Großprojekt bemüht - kurz vor dem Jahreswechsel ist es dann soweit: Die FSG soll drei Betankungsschiffe für Flüssigerdgas bauen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vergibt Förderbescheide in Höhe von 62 Millionen Euro. Bis 2026 sollen die drei Schiffe fertig sein.

2023: FSG bekommt neue Struktur

Aufträge sind nun vorhanden. Während die FSG gerade eine Fähre für eine australische Reederei baut, teilt ein Sprecher der Tennor-Gruppe mit, in wenigen Tagen werde eine neue Struktur der FSG-Nobiskrug-Holding bekannt gegeben. Der Sitz werde in die Schweiz verlagert. In diesem Zusammenhang sei auch der bisherige Geschäftsführer Philipp Maracke einvernehmlich ausgeschieden. Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein könnte ein neuer Gesellschafter aus Deutschland bei den Werften einsteigen. Dieser soll in engem Kontakt zu Finanzinvestor Lars Windhorst stehen.

Währenddessen rechnet sich die FSG bei einem großen Auftrag für sechs Marinetender Chancen aus. Dieser wird voraussichtlich im kommenden Frühjahr vom Bund ausgeschrieben. Zumindest ein Teil des geschätzten Auftragsvolumens von anderthalb Milliarden Euro für die Versorgungsschiffe könnte in Flensburg landen.


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