Geflüchtete in Flensburg ziehen um: Von der Turnhalle in den Container
von Peer-Axel Kroeske
05.12.2022 (archivierter Text)
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Die Fördehalle war ihr Zuhause geworden. Doch die neue Unterkunft bietet für die Menschen aus der Ukraine mehr Privatsphäre.
Zwei Lkw voll mit Umzugskartons sind am Montagvormittag quer durch Flensburg gefahren. Sie transportierten das Hab und Gut von 72 Geflüchteten aus der Ukraine von der Fördehalle zur neuen Unterkunft am Stadion. Vorher herrschte reger Packbetrieb. Die mit Gittern und Planen abgetrennten Parzellen, in denen sich einige schon häuslich eingerichtet hatten, leerten sich.
In der Halle war jedes Wort zu hören
Einige verlassen die Halle nach einem halben Jahr mit gemischten Gefühlen, sagt Pia Knies von der Flensburger Notunterkunft: "Das ist einfach deren Zuhause geworden. Das merkt man richtig in den letzten Tagen. Und einige freuen sich halt drauf, weil sie einfach mehr Privatsphäre haben. Sie haben eine Tür, die sie zumachen können." Denn in der Halle war alles zu hören. Und im Winter lässt es sich auch nicht so gut heizen. Trotzdem gab es kaum Konflikte - im Gegenteil. Es habe sich eine Gemeinschaft gebildet, meint die Koordinatorin.
Möbel sind zwischengelagert
Seit dem Frühjahr hat sich manches angesammelt, beobachtet Pia Knies: "Einige haben zwei Kartons, einige haben fünf oder zehn Kartons. Eine Frau hat einen kompletten Hausstand. Den haben wir einlagern lassen. Wenn die dann in einen eigenen Wohnraum umziehen, dann können sie es wiederbekommen." In der neuen Unterkunft sind eigene Möbel nicht erwünscht. Stühle und Tische sind in den Wohnbereichen und Gemeinschaftsräumen bereits vorhanden.
Stadt Flensburg mietet die Anlage für zwei Jahre
Von den etwa 1.000 Geflüchteten aus der Ukraine in Flensburg lebt nun knapp die Hälfte in den städtischen Unterkünften. Zwei weitere gibt es seit 2016 am Friedensweg und in der Graf-Zeppelin-Straße. Die neue Anlage auf einem ehemaligen Bolzplatz am Stadion sollte in diesem Sommer fertig sein. Der Bau hatte sich aber verzögert, weil Materialien nicht lieferbar waren. Die zweite Gebäudehälfte soll in wenigen Wochen bereit stehen, so dass sich dann insgesamt 208 Betten am Stadion befinden.
Die Stadt mietet die Unterkunft nun vom Unternehmen Deutsche Industriebau. Sie besteht aus Containern, wirkt aber hochwertiger. Die Kosten liegen nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein überdurchschnittlich hoch. Genaue Angaben dazu hat die Stadtverwaltung auf Anfrage noch nicht mitgeteilt.
Eigene Mahlzeiten statt Gemeinschaftsessen
Von den langen Fluren gehen Türen in die Wohngemeinschaften mit Kochnische, Bad und jeweils vier bis sechs Betten ab, verteilt auf zwei oder drei Zimmer mit Etagenbetten. Künftig können die Geflüchteten somit auch eigene Mahlzeiten zubereiten. In der Halle gab es Gemeinschaftsverpflegung. Die 19-jährige Sofiia Volynets, die mit ihrer Familie hier ist, gehört zu denjenigen, die sich freuen: "Ich denke: Das Stadion ist besser." Auch sie ist schon seit dem Frühjahr in Flensburg, hat inzwischen etwas Deutsch gelernt und besucht seit einem Monat einen Integrationskurs an der Volkshochschule.
Ziel für alle: Eine eigene Wohnung
Björn Staupendahl von der Stadt Flensburg spricht von einer Übergangslösung: "Wir hoffen natürlich, dass möglichst viele Menschen trotz der angespannten Lage auch eigenen Wohnraum finden." Er stellt fest, dass viele Geflüchtete anfangs nur von einem kurzen Aufenthalt in Flensburg ausgingen. Das habe sich inzwischen gewandelt. Derzeit kommen eher wenige Geflüchtete aus der Ukraine hinzu. Auch andere Nationalitäten könnten später am Stadion unterkommen. Etwa 140 Ukrainerinnen und Ukrainer haben Flensburg auch schon wieder verlassen.