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Asylbewerber hoffen auf zweite Chance

von Peer-Axel Kroeske

17.01.2018 (archivierter Text)
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Tausende in Skandinavien abgelehnte Asylbewerber sind im vergangenen Jahr illegal nach Deutschland eingereist. Laut EU-Recht müssten sie in den Norden zurück. Doch meistens bleiben sie hier.

Volles Haus am Montag bei der Dienststelle der Bundespolizei in Flensburg: Die Beamten nehmen die Personalien von elf Frauen, Männern und Kindern aus Afghanistan und Irak auf. Sie sind mit dem Zug von Dänemark gekommen, wie am Wochenende bereits 13 Männer aus Irak, Syrien, Somalia, Äthiopien und Senegal. Schnell stellt sich heraus: Sie reisten illegal ein. Die meisten haben in Skandinavien bereits Asyl beantragt. An diesen Tagen sind es mehr Aufgriffe als sonst. Aber die Situation gehört zur Routine.

Asylanträge in Skandinavien abgelehnt

1.455 Menschen hat allein die Bundespolizei von Januar bis Oktober des vergangenen Jahres entlang der deutsch-dänischen Landgrenze aufgegriffen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) ist die Zahl etwa um die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Mehr als 800 Menschen reisten zudem mit den Fähren illegal von Skandinavien nach Deutschland ein. Laut BMI handelt es sich "insbesondere um afghanische, irakische und syrische Staatsangehörige, deren Asylanträge in Skandinavien negativ beschieden wurden".

Identität schnell geklärt

In diesem Fall können die Beamten schnell bestimmen, wen sie vor sich haben, selbst wenn Ausweisdokumente fehlen. Die Fingerabdrücke sind in einer europäischen Datenbank registriert. Damit ist klar: Dänemark beziehungsweise eines der anderen skandinavischen Länder ist nach EU-Recht verpflichtet, den Asylbewerber wieder aufzunehmen. Das regelt die sogenannte "Dublin III"-Verordnung. Doch die meisten reisen stattdessen einfach Richtung Süden weiter.

Illegal Eingereiste können sich frei bewegen

"Nur direkt an der Grenze könnte die Bundespolizei die Menschen abweisen", erläutert Matthias Menge, Sprecher der Bundespolizei in der Direktion Bad Bramstedt. Sind sie erstmal im Land, muss ein Übernahmeantrag zum Beispiel an die dänischen Behörden gestellt werden. Und bis dieser bearbeitet ist, würde zu viel Zeit vergehen. "Wir können die Menschen nur so lange festhalten, bis ihre Identität feststeht", sagt Menge. Alles andere seien "freiheitseinschränkende Maßnahmen", für die eine richterliche Erlaubnis notwendig wäre. Die Folge: Wenn die Menschen erneut ein Asylbegehren äußern, schickt sie die Bundespolizei in die Landeserstaufnahme in Neumünster. Dazu reisen sie eigenständig mit dem Zug oder sogar mit dem eigenen Auto weiter.

Erstaufnahme in Neumünster sorgt nur für die Unterkunft

Die Bundespolizei informiert das Landesamt für Ausländerangelegenheiten darüber, wer sich auf den Weg gemacht hat. Wie viele tatsächlich in Neumünster ankommen, konnte die Behörde auf Anfrage von NDR 1 Welle Nord nicht sagen. Dies werde zwar im Ausländerzentralregister vermerkt, eine Statistik sei aber nicht verfügbar, teilte der Leiter des Landesamtes Ulf Döhring mit. Die Bundespolizei übermittelt auch Informationen über bereits abgelehnte Asylanträge in Dänemark nach Neumünster. Doch diese fallen erstmal nicht ins Gewicht. "Das Landesamt stellt keine Übernahmeanträge", sagt Nele Brüser, die Sprecherin der Einrichtung in Neumünster. Das sei Aufgabe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Im Gewirr der Zuständigkeiten

Das Bundesamt kommt erst ins Spiel, wenn die Menschen einen schriftlichen Asylantrag stellen und ein Mitarbeiter diesen bearbeitet. Bis es soweit ist, können Wochen vergehen. Dabei drängt die Zeit: Erfolgt innerhalb von drei Monaten kein Übernahmegesuch, wird Deutschland für die Asylbewerber zuständig. Neumünster haben die meisten Flüchtlinge schon bald wieder verlassen. Bereits nach einem Tag wechseln viele in ein anderes Bundesland: Nach dem so genannten Königssteiner Schlüssel werden Asylbewerber deutschlandweit verteilt. Einen Sonderfall bilden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Sie dürfen grundsätzlich in Deutschland bleiben und werden von den Jugendämtern der Kreise betreut.

Nur 15 Prozent kehren nach Skandinavien zurück

Für die Volljährigen wird die Rückführung früher oder später schließlich doch zum Thema: Das BAMF hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 6.301 Übernahmeersuche in Skandinavien gestellt. 4.634 Mal haben die dortigen Behörden zugestimmt. Aber nur 931 Personen wurden tatsächlich zurückgebracht. Die Gründe für diese große Differenz sind vielfältig. Die Pressestelle des BAMF teilt mit: "Beispielsweise können Personen untertauchen oder ins Kirchenasyl eintreten. [...] Ein weiterer Grund für das Scheitern einer Überstellung kann die fehlende Reisefähigkeit aufgrund von Krankheit sein."

Frist läuft schnell ab

Klagen vor Gericht haben aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat derzeit eine Flut von Asylverfahren zu bewältigen. Für die praktische Rückführung nach der Dublin-Verordnung sind dann wieder die Bundesländer zuständig. Nach dem Zuwanderungsbericht des Landesinnenministeriums wurden im vergangenen Jahr bis einschließlich November insgesamt 131 Menschen von Schleswig-Holstein in andere EU-Staaten zurückgeschickt. Wie viele davon nach Skandinavien mussten, geht aus den Zahlen nicht hervor.


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