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Lästern im Netz: Die Folgen des Cybermobbings

von Peer-Axel Kroeske

20.10.2013 (archivierter Text)
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Aus einzelnen bösen Kommentaren wird eine Flut an Feindseligkeiten: Der Fall einer 17-Jährigen aus Schleswig zeigt, dass Cybermobbing schnell zu psychologischen Problemen führen kann.

Mobbing ist ein alltägliches Phänomen. Überall dort, wo Menschen sich in Gruppen zusammenfinden, wird auch gehänselt und getuschelt. Für die Opfer des Mobbings ist das oft nur schwer zu ertragen. Für die Gruppe ist das Ausgrenzen einzelner Personen dagegen identitätsstiftend. Diese Verhaltensweisen sind so alt wie die Menschheit. Mit dem Zeitalter des Internets hat das Mobbing jedoch eine neue Dimension erreicht.

Wenn sich Jugendliche die Profile ihrer Mitschüler auf Facebook, Twitter oder YouTube vornehmen, ist das nichts für sanfte Gemüter. Da wird getuschelt und gelästert. Werden die Feindseligkeiten dann jedoch auch systematisch offen ausgetragen - etwa durch das Hinterlassen entsprechender Kommentare auf Profil-Seiten - ist der Schritt zum Cybermobbing nicht sehr groß.

Aus einzelnen bösen Kommentaren wird Flut von Feindseligkeiten

Das musste auch eine 17-jährige Schülerin aus Schleswig erfahren, als sie sich in der fünften Klasse bei einem sozialen Netzwerk anmeldete: "Da ging das eigentlich los, dass die da mal ab und zu Sachen geschrieben haben, die nicht so schön waren, wenn man da irgendwelche Bilder reingestellt hat. Dass das dann blöd kommentiert worden ist: 'Boah, bist du hässlich, und guck Dich mal an.' Und dann ist das eben so weitergegangen."

Aus den vereinzelten bösartigen Kommentaren wird bald eine wahre Flut an Feindseligkeiten, mit denen das Mädchen konfrontiert wird, sobald sie online geht. Immer mehr ihrer Kontakte beteiligen sich an den Lästereien. Sie fühlt sich bloßgestellt, zieht sich zurück. Einmal wird sie von ein paar Mädchen angeschrieben, deren Namen ihr zwar nichts sagen, die sich aber scheinbar mit ihr anfreunden wollen. Sie verabredet sich mit ihnen. "Ich hatte ja damals niemanden, und dann haben die mich sitzen lassen und haben einen dann zum Teil beschimpft. Es waren eben Leute, mit denen ich geschrieben habe und ich wusste nicht, wer das war. Das scheinen erfundene Accounts gewesen zu sein."

Auswirkungen der Lästereien unüberschaubar

Die Schülerin wird misstrauisch. Plötzlich lauern überall Bösartigkeiten. Laut Professor Michael Schulte-Markwort, dem Leiter der Kinderpsychiatrie am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf, liegt hier das Problem beim Cybermobbing: Die Dimensionen der Lästereien seien unüberschaubar. Denn anders als auf dem Schulhof könnten im Internet alle die Ausgrenzungen verfolgen. Der Inhalt verbreite sich schnell und unkontrolliert. Und was die Jugendliche im Internet adden, liken, chatten und posten bleibe ewig online: "Ein Kind, das sich plötzlich in dieser Form an den Pranger gestellt fühlt oder mitkriegt, dass man sich über es lustig macht, fühlt sich ungeheuer bloßgestellt, weil es ja sozusagen um die ganze digitale Community geht. Man kann ja gar nicht erahnen, wer das jetzt alles gelesen hat."

Was die Internetnutzung angeht, sind Kinder und Jugendliche den Erwachsenen oft meilenweit voraus. Den Eltern fällt es schwer nachzuvollziehen, welchen Schikanen ihr Kind ausgesetzt ist. In vielen Fällen erfahren sie erst spät davon, wie Professor Schulte-Markwort erzählt: "Es ist überhaupt ein Phänomen von Mobbing, dass Eltern so etwas nicht schnell mitkriegen, weil die Kinder so beschämt sind, dass sie es nicht weitersagen und sich auch oft viel zu spät Hilfe holen. Und das gilt natürlich insbesondere für Cybermobbing, weil das sozusagen im Stillen stattfindet. Manchmal merkt man erst an den nachhaltigen Reaktionen, zum Beispiel des sozialen Rückzuges oder der depressiven Reaktion, was passiert ist."

"Alleine kommt man da nicht raus"

Die Schülerin aus Schleswig vertraut sich schließlich ihrer Mutter an. Diese handelt sofort: "Als Mutter war ich gezwungen etwas zu unternehmen. Sie war wirklich krank, sie war richtig, richtig krank. Die Schule wurde dann mit eingeschaltet und die haben versucht die Fronten zu klären und psychologische Betreuung hatte Marissa dann ganz viel."

Die 17-Jährige ist nach jahrelangem Leiden heute vorsichtiger im Umgang mit dem Internet. Mit Hilfe von Sozialarbeitern und Schulpsychologen hat sie die Konflikte mit ihren Mitschülern aus dem Weg geräumt. Sie ist gefestigter und will jetzt sogar in anderen Schulklassen von ihren Erfahrungen berichten und Ratschläge geben: "Alleine kommt man da nicht raus. Es ist wie ein Teufelskreis, es geht immer weiter. Entweder man holt sich Hilfe bei den Eltern oder - wenn man mit den Eltern nicht reden will - bei Beratungsstellen, wenn man sich traut dahinzugehen. Auf jeden Fall sollte man versuchen wieder auf die Beine zu kommen. Und dass man das echt aufarbeitet, weil sonst kommt man später überhaupt nicht klar."


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