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Brüder aus Medelby bringen Bisons in den Norden

von Peer-Axel Kroeske

01.04.2018 (archivierter Text)
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Ihr Produkt ist exklusiv: Bisonfleisch aus Schleswig-Holstein. Seit einem halben Jahr halten Tim und Timo Nissen die amerikanischen Urtiere bei Schafflund. Doch die Delikatesse ist nicht billig.

Tim Nissen zielt aus wenigen Metern Abstand zwischen die Augen des Bullen. Dann fällt der Schuss. Das Tier fällt um. Die Herde bleibt unbeeindruckt. Kurz wird gerangelt, um zu klären, wer der neue Leitbulle wird. Und dann fressen die anderen Bisons weiter. Der gelernte Büchsenmacher darf das Tier als Jäger mit Sondererlaubnis erlegen. Er setzt den Weideabschuss im Beisein eines Veterinärs ab. Dem 25-Jährigen ist anzumerken, dass ihn der Abschuss nicht ganz kalt lässt. Doch er ist überzeugt, dass die Tiere auf diese Weise am wenigsten Stress haben: keine Isolation, keinen Transport, keine Enge. Der Schuss hat den Bullen nur betäubt. Eine Stunde später wird der Schlachter in Ladelund das Tier mit einem Kehlschnitt töten.

Plötzlich wieder Appetit bekommen

Tim Nissen aus Medelby (Kreis Schleswig-Flensburg) lernte in Kanada die Tierwirtschaft mit Bisons kennen. Auf den Geschmack kam er bei seinem Aufenthalt auf einer Farm in der kanadischen Prärie-Provinz Saskatchewan. "Unser Chef hatte 7.000 Hektar Ackerland", erzählt er. Da war auch noch Platz für 100 Bisons. "Wir haben da oft gegrillt. Als ich wieder hier war, wollte ich das Fleisch mal wieder essen, weil das so unvergleichlich gut schmeckt", erzählt der 25-Jährige.

Doch das Fleisch war hier schwer zu kriegen. Schließlich entschloss er sich mit seinem Bruder Timo, selbst welche zu holen. "Gerade weil das so faszinierende Tiere sind - die sehen so zornig aus, aber haben so ein ruhiges Wesen," sagt Tim. Einfach war es nicht. Zunächst stellten sie einen Businessplan auf. Schließlich fanden sie eine Bank, die ihnen einen Kredit im Wert eines Einfamilienhauses gab.

Traum von der eigenen Zucht

Die amerikanische Rasse der Nissens unterscheidet sich von den europäischen Wisenten, die unter Naturschutz stehen. Diese sind zum Beispiel im Wisentpark in Kropp zu sehen. Für die amerikanischen Bisons mussten Tim und sein Bruder Timo zunächst ins Saarland fahren. Wenige Monate später verkaufte erstmals auch ein Betrieb bei Hannover mehrere Tiere. Nun stehen auf vier Koppeln bei Schafflund, Meyn und in Handewitt jeweils rund ein Dutzend Tiere auf den großflächigen Weiden. Bis zur Schlachtung vergehen bis zu drei Jahre. Neue Tiere müssen sich die Brüder immer wieder aus dem Süden holen. Zwar würden die beiden auch gerne eine Zucht aufbauen, doch dafür fehlen im Moment noch Stallungen, Zeit und Geld.

Sprung über den Zaun

Die Brüder versorgen die Tiere morgens, bevor sie zu ihrer Arbeit auf einem Hof in Dänemark fahren. Die Bisons haben noch nie einen der Brüder angegriffen. Überrascht war Timo aber, als sie einen Teil der Koppel abtrennten: Die Tiere sprangen über den brusthohen Stacheldraht hinüber. Timo pfeift nun kurz und raschelt mit einer Tüte. Das Leittier setzt sich gemächlich in Bewegung. Die jüngeren Bullen laufen und springen hinterher. Im Trog landen gepresste Gerste und Hafer. Die Bison Nissen GbR wirbt mit Fleisch, das frei von Zusatzstoffen, Hormonen und Antibiotika ist.

140 Euro pro Kilogramm Filet

Der Aufwand hat seinen Preis: Steakpartien kosten um die 50 Euro, Filet sogar rund 140 Euro pro Kilo. Da muss auch Gastwirtin Birte Bossmann-Pauckert aus Wallsbüll schlucken. Die Brüder boten ihr nun einen Braten zum Ausprobieren an. Das Fazit der Köchin: "Es schmeckt sehr gut, so in der Mitte zwischen Wild und Rind." Die Zubereitung hat sie sich genau überlegt: "Ich hab mir gedacht: Du machst das jetzt so wie Oma das machen würde. Natur, so wie es ist. Keine Kräuter dabei." Weil das Fleisch so gut wie kein Fett hat, muss man sehr schonend bei der Zubereitung sein.

"Das Fleisch ist etwas süßlich in der Art", sagt Birte Bossmann-Pauckert. "Ich habe es gebräunt und dann in den Ofen geschoben. Zwei, drei Stunden - es kommt auf die Dicke an." Schon jetzt landet mehr als die Hälfte der Produktion in der Gastronomie. Am Haus der Nissens in Medelby hängt zudem ein Schild für den Direktverkauf. Und wenn es sich einrichten lässt, fahren die Brüder das Fleisch auch direkt zu den Kunden.


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